Rauch-Haus-Besetzung, Auszüge der Doku


GEORG

VON

RAUCH

1. JAHRESTAG DER ERMORDUNG

Am 4. Dezember jährt sich jener Tag, an dem Georg v. Rauch durch die Polizei ermordet wurde. Spätestens heute muß uns allen klar sein, daß dieser Todesschuss kein Zufall, keine ach so "bedauerliche" Kurzschlußhandlung eines einzelnen Polizisten in der allgemeinen BM-Hysterie war (obwohl v. Rauch nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft nicht zur Roten-Armee-Fraktion, der sogenannten BM-Gruppe gehörte), sondern als eine weitere Maßnahme zur Unterdrückung und endgültigen Vernichtung der sozialistischen Bewegung in der BRD und Westberlin gewertet werden muß. Die Gewaltenteilung des Staates funktioniert, all seine Bereiche sind in der bisherigen Bilanz staatlicher Willkür beteiligt:

POLIZEITERROR

Erschossen wurdens Petra Schelm (tödliche Hetzjagd mit 3.000 Polizisten), Georg v. Rauch (Ermordung des unbewaffneten Genossen, der bereits verhaftet war und mit erhobenen Händen an einer Häuserwand lehnte), Thomas Weisbecker (ebenfalls unbewaffnet, erschossen von einem Rollkommando des bayrischen Landeskriminalamtes und der Augsburger Polizei) und viele andere.

JUSTIZTERROR

Zurechtgeschusterte Beweisführung und windige, widersprüchliche Zeugenaussagen kennzeichneten die Prozesse gegen Dieter Kunzelmann (9 Jahre) und Werner Hoppe (l0 Jahre Gefängnis). Zur Zeit laufen Prozesse gegen Horst Mahler, Margit Schiller und das Sozialistische Patienten-Kollektiv Heidelberg. Die "Krönung der Inneren Sicherheit", die Schauprozesse gegen angebliche RAF-Rädelsführer, wird für 1973 erwartet.

GESETZESTERROR

Die Notstandsgesetzgebung wurde vervollständigt: Legalisierte Bürgerkriegsarmee dank Bundesgrenzschutzgesetz, verstärkte Kontrolle ausländischer Kollegen durch das neue Ausländergesetz, Berufsverbot für fortschrittliche Lehrer, angekündigte Schließung des Rauch-Hauses durch den Berliner Senat, weiterhin kaum Rechte für die arbeitende Bevölkerung durch die Neuformulierung des Betriebsverfassungsgesetzes.

Georg v. Rauch und Thomas Weisbecker waren Anarchisten, und darum mußten sie sterben.

In dem Maße, wie die internationale Arbeiterbewegung immer mehr anarchistische Kampfformen übernahm und zusehends die freie Gesellschaft als ihr eigentliches Ziel erkannte, sich seit dem ersten Versuch einer proletarischen Revolution in Europa in den Jahren während und nach dem 1. Weltkrieg, in der russischen Revolution 1917, der Novemberrevolution 1918 in Deutschland, den Räterepubliken in Ungarn und Österreich und den Fabrikbesetzungen 1920 in Italien bis hin zur spanischen Revolution 1936/39 zur Selbstorganisation entschloß und die DIREKTE AKTION übte, in dem Maße wurde auch der Anarchismus zum Hauptfeind und zur wirklichen Gefahr des kapitalistischen Herrschaftssystems.

Diese Tendenz hat sich nach dem 2. Weltkrieg fortgesetzt, durch Gefangenenbefreiungen während der Arbeiterunruhen 1953 in der DDR und dem Freiheitswillen des ungarischen Volkes 1956, schwarzen Fahnen während der Mairevolte in Frankreich und Manifestationen zur Arbeiterselbstverwaltung in der CSSR 1968, brennenden KP-Zentralen und Streikkomitees 1970 in Polen und militanten Streiks der englischen Hafenarbeiter 1972.

Und die BRD? Auch bei uns erkennen immer mehr Kollegen, daß die Befreiung der Arbeiter nur ein Werk der Arbeiter sein kann und wird, daß uns ein selbstorganisierter Streik mehr einbringt als SPD-Wahlsieg und Gewerkschaftsbürokratie, daß es besser ist, Kinderspielplätze hier und jetzt selbst zu bauen, als sich von Stadtverwaltungen jahrelang vertrösten zu lassen.

Und weil all dies von den Anarchisten propagiert wird, darum wird die anarchistische Bewegung von der herrschenden Klasse und ihrem Staatsapparat bekämpft.

Heute, wo Mao und Nixon sektfrühstücken, wo gegenseitige Wirtschaftsverträge die Lebensdauer der Herrschaftssysteme in Ost und West verlängern sollen und Brandt und Stoph sich die Hände reichen, hat das Gespenst des angeblichen Kommunismus ausgedient. Darum wird heute der Anarchismus als Feindbild der bürgerlichen Gesellschaft aufgebaut und die finstere Gestalt des Anarchisten, bärtig und bombenwerfend, aus der Klamottenkiste der Geschichte geholt.

DEMONSTRATION

SAMSTAG, 2. DEZ. , 14:00
OFFENBACHPLATZ

verantwortlich. Gustav Landauer, 8 München, Cecilien Str. 12

Quelle: Der Blues