Rauch-Haus-Besetzung, Auszüge der Doku

Seit 2 Jahren steht Bethanien leer. Mit tausenden von Unterschriften hat die Kreuzberger Bevölkerung gefordert, daß diese riesigen Räumlichkeiten für ihre dringenden sozialen Bedürfnisse genutzt werden. Die Bezirksverordneten verfuhren damit, als wenn es ihr persönliches Eigentum wäre oder wie ein steinreicher Graf mit seinem Schloß. So fanden wir ganz Bethanien geheizt vor, obwohl niemand drin ist.

Man muß zu Mitteln wie Besetzung greifen, damit man bekommt, was man braucht. Die Ämter machen mit uns was sie wollen. Wenn man einzeln sein Recht durchsetzen will, ist man der Gnade seiner Volksvertreter ausgeliefert.

Warum haben die Kreuzberger Jugendlichen Teile von Bethanien besetzt?

Wir wollen folgende Abteilungen einrichten:

  1. Lehrlingswohnungen
    Die meisten Lehrlinge haben zu Hause kein eigenes Zimmer.
  2. Ein neues Erziehungsmodell für Heimzöglinge
    Viele Jugendliche die durch familiäre Umstände in Heime abgeschoben werden, werden dort zu lebensuntauglichen und Kriminellen. Die meisten kommen aus den Arbeiterbezirken Kreuzberg und Wedding, da es dort die schlechtesten Wohnverhlltnisse gibt.
  3. Eine sozialmedizinische Beratungsstelle
    soll von Ärzten und Fachkräften aufgebaut werden.

Gegen unsere Forderungen und praktisches Handeln setzten die Verantwortlichen tausende schwer bewaffnete Bereitschaftspolizisten (scharfe Hunde, Maschinenpistolen, Schlagstöcke, Tränengasgranaten) ein.

Wehrlose einzelne Jugendliche wurden von der Polizei wie Tiere gejagt und zusammengeschlagen. Das sind die Argumente mit denen man uns überzeugen will.

Warum haben wir trotzdem Erfolg gehabt?

Wir waren nicht zwei oder drei, sondern über ein halbes tausend. Die Stadträte die zum Verhandeln in das verbarrikadierte Haus kamen, mußten einsehen, daß wir vie "ein Mann" solidarisch waren und nicht aufgeben würden. Die Stadträte Beck, Baldruschat und Funke mußten zugeben, daß wir im Recht sind. Wir haben uns nicht auf den Senat verlassen, wir haben uns nur auf uns selbst verlassen! Deshalb haben wir bekommen, was wir brauchen und werden es auch weiterhin verteidigen!

Lehrlinge, Jungarbeiter und Trebegänger in Bethanien, Georg von Rauch Haus 2.1.1972

DER KAMPF GEHT WEITER !

Der Senat hat uns nicht durch die Polizei raushauen lassen.

WARUM?

Weil er selbst vorher nicht imstande war, das Problem der wohnungslosen Trebegänger und Lehrlings zu lösen.

Dem rechten Flügel von CDU, SPD und der Polizei hat die verzweifelte Selbsthilfe der Jugendlichen nicht gefallen.

Sie wurden zwar in der Bezirksverordneten-Versammlung überstimmt, sie haben aber noch nicht aufgegeben.

Sie haben Angst, daß morgen such noch andere Teile der Kreuzberger Bevölkerung gemeinsam zur Selbsthilfe greifen werden.

Die Polizei ist abgezogen. Der Mietvertrag ist unterschrieben.

Welche Mittel werden jetzt gegen uns angewandt?

  1. Gestohlene Autos werden uns aufs Gelände gefahren, merkwürdigerweise ein Privatauto eines Polizisten.
  2. Schläger von Zuhälterringen versuchten mehrmals, Mädchen, auch 13-jährige, mit Gewalt aus dem Haus zu schleppen, um sie auf den Strich zu schicken. Das konnte durch dauernde Nachtwachen verhindert werden.
  3. In der letzten Woche tauchten sogenannte Karate-Schläger auf. In der Nacht zum Mittwooh (28-12-71) verschafften sich zwei dieser Schläger Eintritt und terrorisierten bis zum Morgen das ganze Haus. Sie waren mit feststehendem Messer und einer großkalibrigen, geladenen Pistole bewaffnet. Sie sagten, sie wollten Mädchen vergewaltigen. Sie drangen in die Zimmer, bedrohten mit der Waffe die Mädchen und Lehrlinge in den Betten, schrien und warfen stundenlang die Türen, so daß die, die morgens zur Arbeit mußten, nicht schlafen konnten.
    In der Sylvesternacht gegen 2:30 Uhr drangen sie wieder ins Haus und schlugen einige nieder, darunter Mädchen. Bei der Auseinandersetzung zertrümmerten sie das Informationszimmer, zerschlugen Scheiben. Wir versuchten es zu sehr mit Überreden, das war ein Fehler, der nicht mehr vorkommen soll. Sie drohten, sie kämen mit einer Truppe zurück, falls wir Lehrlinge und Jungarbeiter nicht innerhalb von 3 Tagen freiwillig das Haus räumten.
    Vorher waren sie schon im Jugendzentrum.
    Morgens, nach ihrem Weggang, waren die Reifen von mehreren Wagen zerstochen.

Wir müssen uns dagegen wehren!

  1. Wir werden Anzeige erstatten.
  2. Wir haben für die Zukunft die Verteidigung im Haus organisiert.
  3. Unsere beste Hilfe ist die weitere Unterstützung durch die Bevölkerung. Benachrichtigt uns, wenn Ihr von Vorhaben rechtsradikaler Schläger hört!
    Wir danken für die vielen Unterschriften, und für die vielen Spenden, dadurch konnten wir uns einrichten. Diese Unterstützung aus der Bevölkerung hat uns geholfen, unser Anrecht auf eine menschenwürdige Unterkunft zu verteidigen.

Indem wir Arbeiter-Jugendlichen für unsere Lebensrechte kämpfen, kämpfen wir auch für die Rechte der gesamten Kreuzberger Arbeiter-Bevölkerung.

Darum:

DER KAMPF GEHT WEITER!

... Schlechte Wohnungen, keine Kindergärten, die kommende Vertreibung durch die Sanierung, miserable Arbeitsbedingungen im Betrieb, gegen die Ausbeuter und ihre Helfer.

Quelle: Der Blues