Bernd Häusler
Der unendliche Kronzeuge - Szenen aus dem Schmücker-Prozess
Vorwort:
Im Gegensatz zu den meisten anderen Kriminalfällen wird der "Mordfall Schmücker" gerade durch das Verhalten der zur Aufklärung berufenen Behörden und Gerichte immer verworrener und nebulöser. Nichts kennzeichnet diese paradoxe Dynamik deutlicher als ein Ereignis vom September 1986:
Zu diesem Zeitpunkt waren die des Mordes an Ulrich Schmücker angeklagten fünf Personen bereits zum dritten Mal - wenn auch bis heute noch nicht rechtskräftig - verurteilt. Da erscheint eine Presseveröffentlichung, der zufolge die Tatwaffe zwar verschwunden sein soll, nicht jedoch, wie der "Kronzeuge" angegeben hat - im Nichts, sondern in den Tresoren des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz. Der Berliner Innensenator schweigt - weder dementiert er noch bestätigt er. Seit fast zwölf Jahren ziehen sich vergleichbare Ereignisse in skandalöser Weise durch diesen Prozeß.
Dies ist nicht das Buch über den "Mordfall Schmücker" und auch kein Buch über die Angeklagten. Über sie ist schon genügend - meist in der sogenannten Boulevardpresse - geschrieben worden. Dort wurden sie hunderte von Malen vorverurteilt. Selbst das Ausbreiten ihres Sexuallebens, das nun, weiß Gott, nichts mit dem Mordfall zu tun hat, mußten sie sich mit richterlicher Billigung gefallen lassen. Ihre Namen werden daher ungenannt bleiben.
Dagegen wird die Rede sein vom "Kronzeuge" dieses Prozesses, von den Ermittlungsbeamten, Verfassungsschützern und Richtern - und ihren Verstrickungen im Umgang mit dem Recht.
Dies ist keine chronologische Darstellung oder gar umfassende Analyse des bisherigen Prozeßgeschehens. Dazu ist das Verfahren zu umfangreich und hat zu viele Verästelungen. Die Darstellung beschränkt sich vor allem auf die Rolle des Kronzeugen in diesem Verfahren und auf das bemerkenswerte Zusammenwirken von Justiz, Verfassungs- und Staatsschutz. Wie eine unendliche Geschichte scheinen die einzelnen Prozeßereignisse zwanghaft neue Prozeßereignisse zu gebären. Der Kronzeuge selbst scheint so zur "Unendlichkeit" verdammt.
Dies ist keine juristische Darstellung. Der Jurist wird daher unzufrieden sein, an der einen oder anderen Stelle die "Kühle" der ihm gewohnten Darstellung missen und die "Hitze" des Wortes bemängeln. Der interessierte Laie dagegen wird bisweilen die notwendig genaue Wiedergabe bürokratischen Handelns als "ätzend" empfinden. Es soll Leute geben, die allen alles recht machen können. Der Verfasser gehört nicht dazu.
Berlin im November 1987 (Bernd Häusler)
Transit - 1987 - ISBN: 3-88747-043-5
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