Der Unternehmer heisst Unternehmer, weil er unternimmt!
Der Arbeiter heisst Arbeiter, weil er arbeitet!
Würden die Arbeiter etwas unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten!
Floh de Cologne
Bodo Saggel erinnert sich
Haschisch, Opium, Meskalin, für ein freies Westberlin!
Aus: Saggel, Bodo, Der Antijurist, Berlin 1998, S. 90ff
Als Geck auf die Zentralräte der verschiedensten Parteien nannten wir uns, damit die Wahrheit total auf den Kopf gestellt. Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen. Wir waren wirklich ein loser Haufen aus dem Volke. Aus allen Teilen der Stadt zusammengekommen, hatten wir buntgekleideten Langhaarigen uns alle gleich lieb. Mädchen und Jungen, das blieb sich gleich. Die guten Vibrationen gingen niemals aus. Wilde und sensible Augen blickten:
Hurra, wir leben!
Mit unserer vom Dope erhellten Intelligenz heckten wir so manche Streiche aus. Die Bullen gerieten dadurch öfters in seltsame Fallen, aus denen sie sich nur durch kopflose Flucht befreien konnten. Auch ein Shit-Professor, der den Eltern gefährdeter Jugendlicher alle möglichen Rauschgifte auf dem Tisch demonstrieren wollte, mußte seine Demo beenden, weil sich seine Giftobjekte, bevor sie zur Erklärung kamen, in den Händen der Rebellen wohler fühlten. Nach der herrlichen Flucht trafen wir uns happy in der Teestube und verteilten das Rauschglück des geprellten Professors gratis an Freunde, die bei dem Joke nicht dabei gewesen waren.
Mit Dietrichen in den Taschen standen uns alle Türen offen Aus den Kühlschränken entnahmen wir Waren zum Überleben; überholte Werte, wie Brillanten oder Bargeld, ließen wir liegen. In den Supermärkten klauten wir alles, was uns gefiel. Volle Einkaufswagen führen wir raus und kippten die Beute in unseren buntbemalten Kleinbus. An den Kassen vergaßen wir immer zu zahlen. Physik zu studieren, Chemie oder gar Juristerei, dazu hatte keiner von uns mehr Bock. Physik endet in der Atombombe oder Schlimmerem. In der Chemie sind die Aussichten mit vergiftetem Ackerland und der Tablettenindustrie mit ihren Nebenerscheinungen mehr als heikel und daß die Juristen ihre Funktion im Staate nur noch als die Verschleierer des Naturrechts wahrnehmen dürfen, war uns eh klar.
Meine Aktion vor dem Bundeshaus, mit den Flugblättern voller Beweismaterial, und die Reaktion der Justiz, die darauf nur reagierte, indem sie nicht reagierte, bestätigte unsere Lebenspraxis. Bis dahin hatte ich noch an die Gerechtigkeit und an die Freiheit der Forschung geglaubt. Geistiger Diebstahl war zwar nicht unser Ding, aber wenn es um die Verbreitung wichtiger Schriften ging, griffen wir auch zum Raubdruck. Bakunins Leben und Geist hielten wir für würdig, um uns die Hände an einer Druckmaschine zu schwärzen. Mit seinen von uns gedruckten Büchern im Kofferraum lernten wir so manche Uni in Deutschland kennen. In den Mensen stellten wir Bakunins Bücher wild aus und ließen dicke Joints ihre Kreise ziehen. In Frankfürt wollten Genossen vom SDS es nicht versäumen, mich in ihren Bundesvorstand zu wählen. In diese Lage versetzt, erkannte ich, daß so eine Funktion nicht mein Ding ist, und sagte es ihnen. Unsere Hasch-Ins waren immer das Größte. Alle bunt mit Blumen im Haar, Gitarren, Flöten, Haschkeksen, Räucherstäbchen oder auf Trips tanzten oder lagen wir auf dem verbotenen Rasen des Tiergarten; mit vielen Joints in der Runde wollten wir nur happy sein. Solche Gelegenheiten lassen sich die Diener der bewaffneten Macht natürlich nicht entgehen. Mit Pferden, Polizeihunden und ihrem unvermeidlichen Gummipenis in der Hand umzingelten sie uns mit Abstand. Aber erst der Abschluß eines Festes läßt erkennen, ob es gelungen war oder nicht. Von unserer freundlichen Ausstrahlung angesteckt, blieben die Bullen erstarrt auf ihren Pferden hocken und ließen uns, zu unserem Erstaunen, friedlich, zwischen ihren Pferden hindurch, unserer Wege gehen.
EIN FLUGITEXT VON DAMALS
Kampf dem Opium und härteren Drogen!
Anfang 69 sagten wir vom selbsternannten "Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen" in Berlin dem Polizei- und Dezernatsterror den aktiven Kampf an. Mit rund 15 Leuten waren wir der militante Kern der Berliner Subkultur.
Unsere Joints wollten wir als Granaten gegen das moderne Sklavenhaltersystem des Spätkapitalismus einsetzen. Wir kämpften für eine eigene, freie Entscheidung über Körper und Lebensformen.
Bei öffentlichen Smoke-Ins, Demonstrationen vor Entzugsanstalten, in Schulen und Universitäten etc. ließen wir keine Gelegenheit aus, auf Flugblättern, Klebezetteln und Broschüren für die Sache des Haschischs zu werben.
"Haschischraucher vereinigt euch. Zerschlagt die Justiz mit dem Joint in der Hand. Wenn dieser Staat uns die Grundlagen zu einem freiheitlichen Leben nimmt, also das Haschischrauchen verbietet, dann demonstrieren, randalieren und sabotieren wir und werden alles tun, um diesen Staat lahmzulegen!
Haschischraucher! Laßt euch den Stoff nicht länger aus der Tasche ziehen. Von einer Justiz, die den größten Rauschgifthändler, den Alkoholhersteller, unterstützt, das Haschischrauchen aber ausmerzen will, lassen wir uns nichts vorschreiben.
Stoßt das über 40 Jahre alte Opiumgesetz um! Wir können nicht länger ein Gesetz anerkennen, das gegen die persönliche Entfaltung eines jeden einzelnen verstößt. Wir werden uns zusammenschließen und gemeinsam gegen die Haschischgesetzhalter vorgehen. Unseren Joint werden wir nicht mehr in finsteren Ecken rauchen, sondern in Schulen, Betrieben und auf der Straße.
Nur durch seine Illegalität gerät Haschisch in den Ruf eines gesundheitsschädlichen Rauschgifts.
Es ist klar, Haschisch ist dem Staat unbequem; denn es verleitet, im Gegensatz zu Alkohol, zum Nachdenken.
Wir werden in Zukunft unsere Prozesse genauso gemeinsam führen, wie wir gemeinsam den Joint rauchen!
Wir werden für unsere Joints kämpfen!
Jahrelang hat uns diese Justiz terrorisiert und in den Untergrund getrieben. Nun ist es Zeit, das wir zurückschlagen. Die Justiz muß endlich merken, daß jedes weitere Vorgehen gegen uns mit massenhaften militanten Aktionen beantwortet wird."
Unter dem Motto: "Scheißt auf diese Gesellschaft der Halbgreise und Tabus. Werdet wild und tut schöne Sachen. Have a Joint. Verwandelt euren Haß in Energie" starteten wir die ersten Aktionen vor dem Haschlokal Zodiak. Dabei wurden vorbeifahrende Funkwagen mit Steinen beworfen, die Radarwagen der Verkehrspolizei umgekippt. Personenwagen korrupter Rauschgifthändler in Brand gesteckt. Kleinere Polizeistreifen, die in dem Lokal Festnahmen vornehmen wollten, wurden erst gar nicht reingelassen oder mit Stühlen beworfen. Als das Lokal amtlich geschlossen wurde, funktionierten wir ein gewöhnliches Beatlokal in den Haschladen "Unergründliches Obdach für Reisende" um.
Die Auseinandersetzung mit der Polizei wurde täglich militanter. Wenn zufällig kein Funkwagen vorbeikam, der mit Steinen beworfen werden konnte, wurden unter einem falschen Vorwand einfach telephonisch Einsatzwagen in die Nähe des Haschlokals gerufen und mit Steinhagel wieder vertrieben. Das Aufsehen, das unsere Aktionen erregte, sorgte dafür, daß immer mehr Jugendliche, die etwas erleben wollten, vor unserem Lokal, bei Smoke-Ins und Demonstrationen auftauchten, mit uns gemeinsam kifften und die Polizei bekämpften.
Hätte uns damals vor etwa einem Jahr auf dem Höhepunkt unserer Haschkampagne einer den Spruch vom Umsteigen von Haschisch auf härtere Drogen erzählt, den hätten wir garantiert als konterrevolutionär rechts liegen lassen. An die Möglichkeit, daß eines Tages in unserem unbekümmerten Haschkreisen finstere, vom Kapital verseuchte Subjekte auftauchen könnten, die uns Morphium und Heroin verkaufen würden, daran dachten wir damals noch nicht. Erst als das Rauschgiftdezernat immer wieder zuschlug, Mitglieder ganzer Kreise vereinzelte, sie teils im Knast oder Heilstätten internierte, griffen die Verunsichertsten von uns zur Kanüle. Sie mußte ihnen notwendig als Freundeersatz dienen. Denn die Kanüle macht einen in dem Maße, wie sie einen Süchtigen von sich abhängig macht, von zwischenmenschlichen Beziehungen unabhängig. Jede Art von Gesellschaft wird für den Fixer zweitrangig. Er ist total auf seinen Stoff fixiert. Er tanzt nicht mehr, sitzt in Lokalen meistens alleine herum wie ein krankes Huhn auf der Stange und wird impotent. Denn das feeling nach einem Schuß ist stärker als ein Orgasmus.
"Mick Jagger fixt auch." Das ist in neuester Zeit der Werbeslogan der Pusher, der Lieferanten des Giftes. Diese Seuchenmänner sind die höchsten Exemplare des Kapitalismus. Es ist ihr Gewinn, wenn sich ihre Opfer, die Süchtigen, immer näher in die Nähe des Todes bei ihnen kaufen. Anatomisch versiert, zeigen sie denen unter ihren Kunden, deren Armvenen von vielen Einstichen verhärtet sind, so daß keine Nadel mehr durchkommt, neue Einstichmöglichkeiten an Beinen und Füßen. Sie empfehlen, das Opium als besondere Delikatesse in Kuchen, Tee oder Tabak zu genießen. Ihr Einfluß wird immer größer.
Auch Schülerkreise beginnen schon, sich dafür zu interessieren - denn wenn selbst Mick Jagger das Zeug nimmt, dann kann es doch gar nicht so schlecht sein ...
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Nicht Sub-, sondern Superkultur...
Der Begriff 'Subkultur' wurde von den Herrschenden geprägt. Die 'Kulturellen' haben es schon immer gut verstanden, andere Menschen moralisch in einen künstlichen Abgrund zu drängen (Zigeuner, Heiden, Farbige, Kriminelle.) Sub heißt unter. Aber wir sind über (super) . Denn als wir begannen, die Bürgerliche-Kultur zu verachten, befanden wir uns schon über ihr. Alles, was die 'Normalen' Kultur nennen, vegetiert unterhalb unserer Gürtellinie. Die Bürgerliche-Kultur ist in Wirklichkeit unsere Sub-Kultur! Überall in Westdeutschland zieht der Senat eine Berlin-Kampagne durch: mit viel Musik auf Plätzen, Aussteilungswagen, Vertretern des Arbeitsamtes und der Firmen AEG und Siemens. Über diese Kampagne hinaus, müssen wir unbedingt eine Superkampagne stellen, die etwa so aussieht:
Aufruf
Junge Menschen in der ganzen Welt: Kommt in diese Stadt! Macht Berlin zur Weltstadt! Funktioniert Berlin zu einem Bollwerk gegen den Kapitalismus um!
Langhaarige aller Länder vereinigt euch in Berlin! Macht Berlin zu einer wirklich internationalen Stadt! Berlin soll die Stadt der jungen -und nicht der alten Leute sein. Bevölkern wir jetzt ganz Berlin mit Gammlern, Hippies, Beatnicks, Sozialisten, Kriminalisierten und Anarchisten! Ganz Berlin ein einziger Platz wie vor der Gedächtniskirche!
Die Berliner sollen das Fürchten lernen! Endlich sollen Berliner Rentner ihren Lebensabend wieder auf dem Land verbringen können! Alle Berliner werden Berlin verlassen! Von uns abgeschreckt in die Provinzen ziehen und letztlich uns Berlin überlassen!
Setzt alles dran! Missioniert, agitiert in Amsterdam, London, San Francisco... und bestimmt werden wir in 2 Jahren 2 Millionen Typen in Berlin haben!
Mit Musikgruppen müssen wir anfangen: Jimi Hendrix, die Stones, The Who's, Canned Heed, amoon düul für fest nach Berlin!
acid-eins. Berlin heißt jetzt acid-eins!
Alle Musikfans werden nach acid-eins strömen! Wir müssen unheimlich viel produzieren! acid-eins muß die Stadt (die erste) der Superkultur werden: farbig, musikreich, wild, frei und jung! Von acid-eins aus müssen wir dann den ganzen Erdball bevölkern! Die bluttriefende bürgerliche Vergangenheit, die bombenreiche Gegenwart und die weltbrennende Zukunft auf unsere Weise bewältigen!
Die sogenannte Sub-Kultur schmort noch immer in zum Teil illegal gemieteten Wohnungen. Das muß sich ändern! Im Rahmen der Berlinkampagne des Senats - 'Junge Leute nach Berlin' -haben westdeutsche Angehörige der Superkultur die Möglichkeit, sich legal von ihrem Arbeitsamt hier nach acid-eins eine Wohnung vermitteln zu lassen. Darüber hinaus erhält jeder auf diesem Weg nach acid-eins Gekommene von acid-ein-ser Banken ein zinsfreies Darlehen in Höhe von 5000 Mark und Überbrückungsgelder. In dieser Hinsicht muß jeder von uns, der nach Westdeutschland und Westeuropa kommt, unter den dortigen 'Supkulturellen' agitieren.
Die Superkultur erblüht in acid-eins!
Einige von uns sind schon voll auf dem Organisationstrip. Schließt euch an! Macht Vorschläge. Macht Filme, Bücher, Comics, Aktionen - - -
In Kürze wird unter der Bezeichnung 'wir' für alle Gruppen und Einzelne in acid-eins ein Zentrum eröffnet.
Interessenten können jetzt schon bei Bodo anrufen: (318654)