Drogen-Politik

DROGEN-GESETZE

versus

BÜRGER-RECHTE

»Der Kampf gegen die Drogen ist ein Vorwand zur Verstärkung der gesellschaftlichen Repression: Streifzüge der Polizei — aber auch zur Verherrlichung des normalen, rationalen, bewußten und angepaßten Menschen.« (M. Foucault, Subversion des Wissens)

VORWORT

ALEXANDER SHULGIN

DROGEN POLITIK

Zur schleichenden Entmündigung
des Bürgers

Impressum

Der Grüne Zweig 160

Alexander Shulgin DROGEN POLITIK

Entnommen dem Buch PIHKAL,
Kapitel 42,
Lecture At The University
Transform Press, 1991
Übersetzt von Werner Pieper
Dank an Nadina Leganovic
und Konrad Volz für Korrekturen

Satz: Petra Petzold
Druck: Maro, Augsburg
Verlegt als Joint-Venture
von Werner Pieper's Medienexperimenten,
Alte Schmiede,
D-6941 Löhrbach
und dem
Nachtschatten Verlag,
Ritterquai 2-4,
CH-4502 Solothurn

ISBN 3-925817-60-3

Weitere Joint-Venture Titel
finden Sie im Anhang.
Neugierige fordern die jeweiligen
Verlagskataloge an.

Die Grüne Kraft


Ann Shulgin & Alexander Shulgin

Alexander Shulgin übt seit über drei Jahrzehnten einen äußerst seltenen Beruf aus: Er entwickelt und synthetisiert psychoaktive Substanzen. Diese ganz legale Tätigkeit hat ihn in der pharmakologischen Fachwelt bekannter gemacht, als er es in psychedelischen Szenen oder der Öffentlichkeit ist. Bemerkenswert. Unter anderem verdanken wir ihm die Wiederentdeckung der Substanz MDMA, die seit ihrer Entwicklung vor dem 1. Weltkrieg durch die Firma Merck ungenutzt in der Fachliteratur schlummerte.

Nun hat Schulgin zusammen mit seiner Frau Ann eine aufsehenerregende Paar-Autobiografie vorgelegt: PIHKAL - A Chemical Love Story. Das fast tausendseitige Werk ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil erzählen uns die Shulgins aus ihrem Leben, und zwar anhand von Trips mit unterschiedlichen Substanzen, von denen die meisten Eigenentwicklungen waren. Schon in den 50er Jahren beschloß Shulgin, daß Tests psychoaktiver Drogen mit Tieren sinnlos seien und entschloß sich, den jeweils ersten Versuch mit einer neuen Substanz selber durchzuführen, um dann den jeweils nächsten Versuch im Freundeskreis zu unternehmen. Dabei haben sich in der und für die Praxis zwei Regeln herauskristallisiert:

  1. Paare, die sich erst auf Droge kennengelernt haben, sollten sich bei dieser Session sexueller Kontakte enthalten.
  2. Um Gehör für eine wichtige Mitteilung für die »reale Alltagswelt« zu gewinnen, sollten entsprechende Durchsagen mit erhobener Hand gemacht werden. (»Das Haus brennt!« - »Hahahaha!« - Mit erhobener Hand: »Das Haus brennt!« - »Hilfe! Feuerwehr!«).

Im zweiten Teil des Buches PIHKAL (Abk. für »Phenelhylamines I have known and loved«) werden der chemische Aufbau, die Wirkungen auf den menschlichen Organismus und andere wissenswerte Infos der über 100 Substanzen beschrieben, die Shulgin entwickelt hat (mehr zum Buch am Ende dieser Publikation).

»In vielleicht nicht allzuferner Zukunft, wenn es wieder erlaubt sein wird, den menschlichen Geist mit chemischen Werkzeugen zu erforschen und zu studieren, wird dieses Buch eine einzigartige Fundgrube sein, eine Art Sammlung von Zaubersprüchen für den Psychiater/Schamanen von morgen.« (Dieter Hagenbach)

Die vorliegende Broschüre enthält eine Übersetzung des Kapitels 42 aus PIHKAL, »Lecture At The University«. In ihm geht es Shulgin um die gesellschaftliche Sicht des Gebrauchs von psychoaktiven Substanzen, politische Trends und die Reaktionen der Reaktionäre. Zwar ist hier nur von den US-amerikanischen Verhältnissen die Rede, aber diese werden von den europäischen Politikern ja allzugerne kopiert. Wir erinnern uns an das bundesdeutsche MDMA-Verbot, das auf Drängen der USA erging, ohne daß den deutschen Behörden auch nur ein Fall von MDMA-Mißbrauch bekannt gewesen wäre.

Die Shulgins waren wiederholt in Deutschland. Auf der Bewußtseinsforschungstagung im September 1992 in Göttingen gab uns Alexander Shulgin freundlicherweise die Erlaubnis für diese Publikation.

Nicht nur dafür sind wir ihm zu Dank verpflichtet.

Werner Pieper Dezember 1992

Seit einigen Jahren halte ich im Herbst Vorlesungen an der Universität in Berkeley. Offiziell handelt es sich dabei um einen theoretischen wie auch praktischen Toxikologie-Kurs. Hauptschwerpunkt ist die Analyse in Körperflüssigkeiten, vor allem auch im Rahmen der Beweisermittlung vor Gericht. Ich habe mir angewöhnt, die Vorlesungstexte meinen Studenten schon im voraus schriftlich zukommen zu lassen. So können sie sich mit der Materie vertraut machen und die offizielle Vorlesungszeit für weitergehende Fragen und Erklärungen nutzen.

Sollte es keine Fragen geben, kann ich mich in den vorgesehenen zwei Stunden über ein Thema meiner Wahl auslassen. Dabei geht es mir vor allem darum, ihnen die Begeisterungsfähigkeit für die Wissenschaft und das Lernen zu vermitteln. Jahr für Jahr bin ich über das Desinteresse der Studenten an der organischen Chemie schockiert, die doch die Grundlage des Kurses bildet. Die Studenten sind es gewöhnt, Texte aus Büchern zu memorieren, um gerade mal durch die Examen zu gelangen und dann wieder alles zu vergessen. Sie hassen die Routinearbeit.

Also versuche ich, Chemie als Kunstform statt als Wissenschaft zu präsentieren. Warum sind Zucker meistens weiß? Warum sind Nahrungszusätze immer geruchlos? Wie erklärt man Geschworenen ohne wissenschaftlichen Hintergrund die Chromatographie?

Manchmal erscheint mir ein Thema so aktuell und wichtig, daß ich ihm die ganze Vorlesungszeit widme. Was nun folgt, ist der Text einer solchen Vorlesung.

* * *

Ich weiß, daß ich hier eigentlich über die Wies und Wos der Drogenaktivitäten im Gehirn reden sollte, um Ihnen ein Bild von der Untersuchungen der chemischen Wirkstoffe und der Pharmakodynamik zentral aktiver Komponenten zu vermitteln.

Aber ich werde mir eine der mir als Professor zustehenden kostbaren Freiheiten nehmen und das Thema ändern. Ich werde über Politik und Regierung sprechen. Dabei werde ich über Freiheit im allgemeinen und über den Verlust einiger Freiheiten unter dem schändlichen Vorwand des Feldzugs »Krieg dem Rauschgift« im genaueren reden.

Unsere Regierungsform ist die einer föderalen Republik. Die föderale Struktur wurde etwa zehn Jahre nach unserer Unabhängigkeitserklärung von England durch die Unterzeichnung unserer Verfassung besiegelt. Viele unserer noch heute gültigen unveräußerlichen Grundrechte wurden vier Jahre danach in Form von zehn Zusatzartikeln zur Verfassung, dem sogenannten »Bill of rights« niedergelegt. Diese Grundrechte - der freien Rede, der Presse, der Religionsausübung, Schutz gegen unerlaubte Durchsuchungen und Beschlagnahmungen, das Recht eines jeden Angeklagten, über die Natur der Anklage aufgeklärt zu werden und von einer unabhängigen Jury beurteilt zu werden - bilden das Fundament unserer Nation und gehören fest zu unserem nationalen Alltag.

Diese Grundrechte sind nun vor allem durch Gesetzesvorlagen des Kongresses permanenten Angriffen ausgesetzt. Diese Vorlagen werden oft ohne das nötige Bewußtsein für unsere Grundrechte formuliert. Die Aufgabe des Obersten Gerichtshofes, des Supreme Court, war es eigentlich immer gewesen, als Sicherheitspuffer gegen Gesetzesvorlagen zu dienen, die unsere Verfassung mißachten. Es wird jedoch zunehmend klarer, daß wir uns auf diese Schutzinstanz nicht mehr verlassen können.

Als wir uns von England unabhängig machten, haben wir etliche Grundrechte und Freiheiten von den ehemaligen Kolonialherren übernommen. Die Engländer haben nie eine geschriebene Verfassung besessen. Sie leiten ihre Rechtsprechung aus einer lockeren Struktur bemerkenswerter Urteile und Beschlüsse, wie z.B. der Magna Charta, ab. Wir haben von ihnen Konzepte wie »habeas corpus« (Wessen bin ich angeklagt?) und die Verurteilung durch eine Jury, d. h. Schöffen, übernommen.

Drei weitere absolut wichtige Grundrechte, die Teil dieser Überlieferung sind, wurden nie in der Verfassung niedergeschrieben, bilden aber nichtsdestoweniger die Grundlage unseres nationalen Selbstverständnisses. Dabei handelt es sich u.a. um die Annahme der Unschuld, das Recht auf Privatsphäre und die Freizügigkeit der Nachforschungen. Diese Rechte werden zusehends untergraben. Gleichzeitig mehren sich die Stimmen derer, die behaupten, daß die Erodierung dieser traditionellen Rechte relativ unwichtig sei, solange hierdurch nationale Interessen wahrgenommen werden. Im Augenblick handelt es sich bei dem nationalen Anliegen um den sogenannten »Krieg dem Rauschgift«, the war an drugs, der gewonnen werden soll. In der Zukunft mag es sich um einen Krieg gegen eine andere Bedrohung unserer nationalen Sicherheit handeln. Dieser Spruch hat schon vormals gezündet, und man kann sich darauf verlassen, daß er auch künftig die gewünschten Konsequenzen nach sich ziehen wird. Leider werden nach solchen Kriegen einmal aufgegebene Rechte nie wieder Gültigkeit erlangen, zumindest nicht zu unseren Lebzeiten, noch in der Zeit unserer Kinder und Kindeskinder.

Jene, die sich bewußt sind, was hier geschieht, müssen individuell oder kollektiv handeln, von sich aus initiativ werden. Sie müssen das, was uns genommen wird, wieder einklagen. Sie müssen dafür sorgen, daß es nicht zu noch weiteren Verlusten dieser Art kommt.

Gesetze werden als Konzepte geboren. Sie müssen jedoch erst schriftlich niedergelegt werden, bevor sie in Kraft treten. Die genaue Auslegung der Worte ist in hohem Maße von ihrem zeitgemäßen Gebrauch und dem jeweiligen Verständnis ihrer jeweiligen Interpretation abhängig. Da es nie einen völligen Konsens aller Definitionen geben wird, verbleiben immer eingebaute Doppeldeutigkeiten. Ich werde ein paar Beispiele für solch einen Interpretationswechsel anführen.

Überlegen Sie einmal, auf welcher Basis die Einschätzung von Schuld und Unschuld einer Person geschieht, die auf Grund irgendwelcher Beschuldigungen nun als Angeklagte/r zum Gegenstand offizieller Untersuchungen geworden ist. In der Vergangenheit mußten diese Anschuldigungen formell als Anklage schriftlich fixiert werden: Erfolgte dann eine Verhaftung, hatte der Kläger, also der Staatsanwalt oder wer auch immer, die Aufgabe, diese Anklage durch Beweise zu erhärten.

Wenn es sich dabei um ein Verbrechen handelt, also das potentielle Strafmaß eine Inhaftierung in einem Bundesgefängnis vorsieht, muß die Schuld des Angeklagten über jeden vernünftigen Zweifel hinaus bewiesen werden. Zweifel sind offensichtlich Herausforderungen gegenüber vorgelegten Indizien. Was aber um Gottes willen meint man mit »vernünftig«? In der Rechtspraxis bedeutet dies heute, daß eine Jury einstimmig darin übereinkommt, daß es ihrer Auffassung nach keine Zweifel an der Schuld der angeklagten Person gibt. Nach diesem Kriterium wird jemand einer kriminellen Tat als überführt erklärt.

Trotzdem ist es heute, zur Zeit der Drogenhysterie und der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, nicht mehr nötig, eine Jury einzuberufen oder gar eine fundierte Anklage zu erheben, um jemandem, der im bloßen Verdacht steht, an einer drogenbezogenen Aktivität teilgenommen zu haben, zu schaden oder ihn zu bestrafen. Heutzutage reicht schon der geringste Hinweis oder Beweis, einen Verdächtigen zu »kriegen«. Dazu werden nicht mehr jene Qualität und Quantität von Beweisen benötigt, die vormals von Gerichten gefordert wurden, um eine »Schuld jenseits eines vernünftigen Zweifels« feststellen zu können. Ich rede hier leider nicht von Ausnahmefällen, sondern von der Regel.

Als Autoritätspersonen befassen sie sich nicht mehr direkt mit dem Verdächtigen, sondern nur mit seinem Besitz. Unterstellen seinem Kontostand, ein Resultat krimineller Aktivitäten zu sein und beschlagnahmen das Guthaben. Beschuldigen seinen Wagen, illegale Drogen transportiert zu haben, und konfiszieren ihn. Behaupten, sein Haus wäre aus Kokain-Dollars finanziert worden, nehmen es seinem Besitzer weg. Galt eine solche Vorgehensweise früher als kriminell, so gehört sie inzwischen zum Alltag bürgerlicher Rechtsauslegung. Eine mit entsprechender Rechtsgewalt ausgestattete Person kann einfach entscheiden, daß ihr Auto, ihr Boot, ihre besten Hektar Weideland irgendetwas mit einem drogenbezogenen Delikt zu tun haben. Sie kann und wird ihren Wagen (Boot, Haus, Land) beschlagnahmen, dabei Mechanismen zivilrechtlicher Verluste heraufbeschwören, und Sie können nichts dagegen unternehmen. Die Phrase »im Zusammenhang mit einem Verbrechen« bedeutet, daß der beschlagnahmte Gegenstand Teil der kriminellen Tat war oder vom Erlös derselben besorgt wurde.

All dies geschieht auf Anweisung der Autoritäten, ohne daß dafür eine Jury gebraucht würde, ohne daß irgendeine Art von Gerichtsverfahren einberufen werden müßte.

Unser Schutz gegen solcherart persönliche Verluste war Teil unseres britischen Erbes an Grundrechten. Seit den Zeiten der Gründerväter der USA wurde dies Recht bei uns respektiert. 1978 hob der Kongress es durch die Einführung des »Psychotropic Substances Act«, der Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes, auf. Dieses Gesetz muß rückgängig gemacht werden.

Wenden wir uns der Phrase »in gutem Glauben« zu. Dabei entfernen wir uns noch weiter vom unzweifelhaften Beweis und nähern uns den undokumentierten Launen. Hier ist alles möglich. (Deutsche Entsprechung: »Bei Gefahr im Verzuge...« Anm. d.Ü.). Denn einem Mann oder einer Frau in einer Entscheidungsposition nachzuweisen, daß er oder sie »in schlechtem Glauben« handelte, bedeutet, ihm oder ihr nachzuweisen, daß er oder sie gewissenlos agierte oder gar log. Und so was ist teuflisch schwer zu beweisen. »Ich roch Methylamin und das bedeutete für mich, daß es sich hier um ein Methamphetamin-Labor handeln mußte. Auf Grund meiner Aussage wurde ein Durchsuchungsbefehl ausgestellt. Wir fanden zwar keine Spuren von Methylamin, dafür entpuppte sich der Laden als LSD-Labor. Naja, das war schon o.k. so, denn ich handelte in gutem Glauben.« Natürlich kann man Hausdurchsuchungen auch nicht wieder rückgängig machen.
»Mein Hasch-Hund sagte mir: 'In dem Haus ist Hasch!' Es stellte sich heraus, daß dort Psilocybin-Pilze waren, jawoll, aber kein Marihuana. Aber das ist auch o.k., denn ich handelte in gutem Glauben, da ich der Reaktion meines Hundes vertraute.« Haftbefehl bleibt Haftbefehl.

Eine Weiterentwicklung dieses Rechtsmißbrauchs ist das Erstellen und der Gebrauch von Persönlichkeitsprofilen, auf Grund deren Menschen, natürlich auch wieder in gutem Glauben, angehalten und durchsucht werden. Die Polizei hat ein festgelegtes Bild des Drotentypen. Wie genau der aussieht, ist und bleibt ihr Geheimnis, aber in Flughäfen spielen Faktoren wie Hautfarbe, Hektik, Einweg-Tickets, die bar bezahlt werden etc. eine Rolle. Wenn eine Person ins vorgegebene Raster paßt, kann sie als potientieller Drogenkurier in Gewahrsam genommen, befragt und so gründlich, wie es die Autoritätsperson möchte, durchsucht werden. Wenn das Raster auf einen potentiellen Schlucker-Kurier (jemand, der Drogen z. B. in Kondomen verpackt im Magen oder Darm schmuggelt) zutrifft, kann diese Person ohne eigene Zustimmung geröntgt und, wenn gewünscht, unter Aufsicht festgehalten werden, bis sie ihren Darminhalt auf natürlichem Wege von sich gegeben hat.

Zum Autobahnprofil gehört nicht nur der Fahrstil, sondern auch Fabrikat und Zustand des Wagens, und, ob Sie es glauben oder nicht, die verdächtig genaue Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit (um bloß keinen Verdacht zu wecken). »Er fuhr einen teuer aussehenden Wagen mit einem Nummernschild aus Florida und genau die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Meiner Meinung nach paßte er genau in das Rasterbild eines Drogenkuriers. Also hielt ich ihn an und fand fast 5000 Dollar in seinem Handschuhfach. Die Geldnoten zeigten Kokainspuren. Ich beschlagnahmte sein Geld, aber ich zeigte ihn nicht an.«

Die Einziehung des Geldes war rechtens, denn sie geschah in gutem Glauben, auch wenn Kokainspuren auf Dollarscheinen heute keineswegs bedeuten müssen, daß der Besitzer des Geldes irgendetwas mit Drogen zu tun hat, geschweige denn ein Dealer sein muß.

Immerhin haben Regierungs-Chemiker anhand von Geldscheinstichproben nachgewiesen, daß Dollarscheine in den USA häufig kokainverseucht sind. Die heutigen Prüfinstrumente sind so sensibel, daß sie auf potentiell jedem Geldschein in jedem Geldbeutel Kokainrückstände nachweisen können.

Obwohl der Supreme Court. den Einsatz solcher Profile genehmigt hat, meine ich, daß diese Form der Überwachung und des Verhörs zu leichtfertig von den Autoritäten mißbraucht werden kann. Zumal so eine Prozedur in diesem Land weder benötigt wird noch gewollt werden sollte.

Es geht jedoch noch weiter abwärts. Inzwischen gibt es ein Gebiet, auf dem die Autoritäten jemanden ohne jegliche Beweise oder Schuldhinweise belästigen. Diese sich schnell entwickelnde Abteilung der drogenbezogenen polizeistaatlichen Methoden spricht jeder Person vorab jegliche Unschuld ab, man unterstellt einfach mal ein Vergehen. Es liegt an den Beschuldigten, ihre Unschuld zu beweisen. Ich spreche von den sich immer mehr verbreitenden Urintests.

Was nun folgt, ist ein ziemlich herbes Statement, aber ich stehe voll und ganz mit meinem Herzen dahinter: In meinem Land gibt es keine Berechtigung, den Urin eines Menschen, wo auch immer und wann auch immer zu untersuchen, solange keine begründeten Verdachtsmomente einer kriminellen Tat vorliegen.

Lassen Sie mich das noch einmal mit anderen Worten ausdrücken. Von einem Menschen zu verlangen, in den Becher zu pissen, ohne daß ein stichhaltiger Verdachtsmoment besteht, daß er illegale Substanzen zu sich genommen habe, ist ein in unserer Republik untragbarer Vorgang. Das ist, als würde man dem Bürger sagen: »Ich mache mir Gedanken, ob du dich so verhältst, wie ich es von dir erwarte. Überzeuge mich von deinem guten Verhalten.«

Unglaublich.

Untolerierbar.

Mir ist es gleich, ob es sich dabei um den Piloten der Air Force One mit dem Präsidenten an Bord handelt oder den Mann am Roten Knopf eines Atom-U-Bootes mit 24 Trident II D-5 Raketen unter seiner Verfügungsgewalt. Es ist undenkbar, daß man einen Urintest von jemandem verlangt, ohne daß es einen stichhaltigen Grund dafür gibt, daß er seine Aufgabe nicht als Herr seiner Sinne erledigen kann. Jawohl, es mag sein, daß wir hier ein Flugzeug verlieren und dort ein Geplänkel, aber der Preis, den wir damit zahlen würden, wäre doch recht gering. Immerhin würden wir in einem Staat leben, der das Recht auf das Privatleben des Einzelnen und die Annahme seiner Unschuld schützt. Vielleicht geht es dem Piloten oder dem Mann am Knopf nicht gut, vielleicht hat er wegen eines verbrannten Toasts am Morgen Streit mit seiner/m Liebhaber/in. Dann müßten wir sein Verhalten checken, seine Einsatzfähigkeit, ob er fähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen. Man kann seine Reflexe oder sein Koordinationsvermögen testen, um eine mögliche Unfähigkeit festzustellen. Wenn er nicht in der Lage sein sollte, seine Aufgaben konkret zu lösen, dann, aber erst dann gäbe es einen Grund, auch seinen Urin zu testen.

Jedenfalls kann eine blinde Suche nach Drogen im Urin aller Piloten nur einen winzigen Schutz vor abweichendem Verhalten bieten. Er wird am Tag der Urinabgabe allemal fliegen, und die Ergebnisse des Urintests werden frühestens in einer Woche vorliegen.

Unter diesen Bedingungen bietet ein Urintest keinen Schutz.

Ich glaube, einer der Hauptgründe für die rasche Ausbreitung und Propagierung der Urintests, für die Ausbreitung dieser neuen, schnell wachsenden Industrie ist schlicht das schnelle Geld, das damit verdient werden kann.

Es gibt noch weitere Hinweise und Aktivitäten der Autoritäten, für diese »Nehmen wir an, sie seien schuldig, sollen sie uns doch ihre Unschuld beweisen«-Einstellung. Im vergangenen Jahr kontaktierte die DEA (Drug Enforcement Agency, die staatliche Drogenkontrollbehörde) alle Inserenten des Gegenkulturmagazins HIGH TIMES, die Gerätschaften zur Pflanzenzucht im Haus anbieten. Ihre Kundenlisten wurden beschlagnahmt und alle Kunden, die entsprechende Ware gekauft hatten, bekamen unter dem Verdacht, Marihuana anzubauen, Besuch von Repräsentanten der DEA. Nachdem sich die Besuchten fast ausnahmslos als harmlose Orchideenzüchter entpuppt hatten, ließ der Enthusiasmus der Autoritäten schlagartig nach. Aber die üble Art und Weise ihres Vorgehens zeigt ein erschreckendes Bild des Vorgehens unserer Gesetzesschützer auf.

Da mag der Gesetzgeber nicht zurückstehen. Man muß wohl das Bemühen eines jeden gewählten Kongreßmitglieds als eine Art »strenge Rache« ansehen. Sie tun allesamt ihr bestmögliches, um den Krieg gegen das Rauschgift zu gewinnen. Ihnen fallen dazu immer härtere Strafen für Drogendelikte ein.

Inzwischen gibt es feste Gefängnisstrafen und Geldstrafensätze, die für bestimmte Taten mit bestimmten Drogen ausgesprochen werden. Wenn Sie dies oder das mit dieser oder jener Substanz machen, bekommen Sie die dafür vorgesehene Strafe (wie das Punktesystem für Autofahrer in Flensburg, nur ungleich härter - der Übers.). Die Mindestzeit, die Sie im Knast verbüßen müssen, ist abhängig von der Menge der Drogen, ob Sie bestimmte Fähigkeiten haben, ob Sie schon einmal verhaftet wurden und ob eine Knarre dabei im Spiel war. Dabei sollte ein wichtiges Faktum nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn in einer beschlagnahmten Masse auch nur eine Spur einer bestimmten Droge aufzuspüren ist, dann geht das Gericht davon aus, daß die ganze Masse diese Droge darstellt (10g Heroin in 100g Traubenzucker = 100g Heroin; so lassen sich hervorragende Erfolgsstatistiken hochrechnen! Anm. d.Ü.). Wenn Sie ein Schiffskapitän sind oder ein Anwalt oder eine besondere höhere Ausbildung vorweisen können, dann wird dies strafverschärfend berücksichtigt. Wenn Sie daheim im Nachttisch einen Revolver haben, wird Ihnen dieser strafverschärfend angerechnet, auch wenn Ihre kriminelle Tat woanders stattfand. All diese Besonderheiten werden im Strafmaß auf Grund fester »Tarife« berücksichtigt. Das kann sich zwischen Monaten im Knast und lebenslanger Haft bewegen. Zusätzlich können noch Geldstrafen in Millionen-(Dollar-)Höhe verhängt werden.

Sind Sie als Dealer ein Dicker Fisch (was auch immer das bedeuten mag), können Sie unter bestimmten Umständen auch zum Tode verurteilt werden. Letzthin schlug der Senat einen Gesetzesentwurf vor, nach dem man schon als Großdealer gilt, wenn man lediglich eine Menge X von der Substanz Y kauft oder verkauft. Das Gesetz wurde verabschiedet, und nun müssen Sie mit Ihrer Hinrichtung rechnen, wenn Sie überführt werden.

Die Todesstrafe als obligatorischer Preis für den Besitz von mehr als XYZ Gramm Dope. Wo in der Welt außer in den USA, im Iran und in Malaysia, gibt es so etwas? Für den unautorisierten Besitz einer Atombombe handelt man sich ein Maximum von zwölf Jahren Haft ein.

Eine subtilere und unterschwelligere Form des Freiheitsverlustes kann man an unseren Schulen beobachten. Die Regierung hat an Colleges und Universitäten eine de-facto-Zensur eingeführt, indem sie nur bestimmte Forschungszweige finanziell unterstützt und somit deren Richtung bestimmt. Dies wird von einer regelrechten Pressekampagne unterstützt, und niemand von denen, die das durchschauen, wagt, dagegen aufzustehen.

In den öffentlichen Schulen kümmert man sich um die Schüler. Die Botschaft heißt: »Just Say No«. Es wird keinerlei Mühe unternommen, die Schüler aufzuklären, sie zu bilden, ihnen die komplexen Informationen über Drogen nahezubringen, damit sie sich ein eigenes Urteil bilden könnten. Es wird ihnen einfach mitgeteilt, daß Drogen töten. Dies ist dein Gehirn. Dein Gehirn steht unter Drogen. Brutzel, brutzel, brutzel - und das Ei ist gebraten. Deine süße, jungfräuliche Tochter mußte sterben, weil sie sich mit Drogen nicht auskannte, d. h. nicht gelernt hatte, »NO!« zu sagen. So etwas kann man doch nicht Erziehung oder Ausbildung nennen. Es handelt sich dabei um den Versuch, durch endlose Wiederholung einer Botschaft bestimmte Verhaltensmuster zu verankern. Das ist Propaganda.

In unserer Kultur, in unserem way of life sind alle möglichen Drogen tief und fest permanent installiert. Ihre Werte und ihre Gefahren müssen unseren Kindern beigebracht werden. Dieses Lernpensum muß aufrichtig und ehrlich vermittelt werden. Integrität ist gefordert.

Wie sieht es mit der Forschung an den Medizinerschulen, den Universitäten und den industriellen Labors im Lande aus? Ich kann Ihnen versichern, daß da Psychedelika für die Erforschung an Menschen als nicht wichtig eingestuft wurden, auch kein müder Dollar irgendwo für entsprechende Forschung locker gemacht wird. Nirgends werden ihre Wirkungen in und auf den menschlichen Organismus und das Gehirn untersucht.

In der Tat wird heute fast alle Forschung auf akademischer Ebene von Regierungsgeldern unterstützt. Wenn für ein Forschungsgebiet, das den Autoritäten nicht ins Konzept paßt, ein Antrag gestellt wird, wird dieser abgeschmettert, d.h. er bekommt keinerlei Unterstützung. Über die Aktivitäten der pharmazeutischen Industrie wird noch mehr gewacht. Es wird kontrolliert, daß nur solche Drogen erforscht werden dürfen, deren eventuelle medizinische Nützlichkeit im voraus feststeht. Ein offizielles Statement besagt, daß es nicht eine einzige Droge aus dem faszinierenden Gebiet der Psychedelika gibt, die medizinisch genutzt werden könnte. Sie sind alle illegal, und weder für sie noch für ihre Analoge gibt es irgendwelche medizinischen Einsatzmöglichkeiten.

Wie steht es nun mit den von den Medien verbreiteten Botschaften? Viel zu häufig werden reißerische Skandahneldungen breitgetreten. Oft unterbleiben notwendige Richtigstellungen. Ich möchte das anhand einiger konkreter Beispiele belegen.

Überdenken Sie einmal Phrasen wie »Schon das erste Mal kann tödlich sein« und »Selbst reiner Stoff kann töten«, wie sie auf Kokain angewendet werden. Beide Aussagen wurden als Fakten verkauft. Konkret handelte es sich um den tragischen Tod des Sportlers Roger Bias, der an einer Überdosis Kokain starb. Dies geschah zu einer kritischen Zeit, gerade ein paar Wochen, bevor im Parlament eine Abstimmung zum Thema Drogen anstand. In den Zeitungen stand zu lesen, daß die Autopsie ergeben hätte, der junge Mann habe zum erstenmal und dazu noch reines Kokain zu sich genommen. Das ist purer Unsinn. Weder kann die Reinheit einer Droge, noch die Häufigkeit ihrer Einnahme durch die Analyse von Körperproben nach dem Tode festgestellt werden. Als endlich der definitive Autopsiebericht im »Journal of the American Medical Association« publiziert wurde, stellte sich heraus, daß Mr. Bias eine große Dosis oral zu sich genommen hatte. Womöglich war es einem Erfrischungsgetränk beigemixt, womöglich handelte es sich gar um Mord, denn es gab keinen Hinweis, daß er es sich selber verabreicht hatte.

Diese Version wurde nirgends publiziert; was blieb, waren die beiden Schlüsselsätze, die noch heute zu »aufklärerischen« Zwecken mißbraucht werden: »Schon das erste Mal kann tödlich sein« und »Auch purer Stoff kann töten«.

Natürlich wurde die Anti-Drogen-Abstimmung mit großer Mehrheit im Parlament unterstützt. Dann kam es zu jenem tragischen Zugunglück in der Nähe von Baltimore, bei dem 1987 16 Menschen getötet und 170 verletzt wurden. Die Medien posaunten aus, daß der für den Unfall verantwortliche Fahrer positiv auf Rückstände von Marihuana in seinem Körper getestet wurde. Dieser Vorfall wurde medienwirksam ausgeschlachtet als ein Hauptargument für die Einführung des Urintests vor allem im öffentlichen Nah- unf Fernverkehr. Erst sechs Monate später stellte sich heraus, daß der Chef des mit den Tests beauftragten Firma, die jene Marihuana-Rückstände bekanntgegeben hatte (das FAA-Labor in Oklahoma City) seit Monaten Drogentests einfach frei fabriziert hatte. Es gab Resultate von Tests bekannt, die nie durchgeführt worden waren, denn niemand im Labor war in der Lage, die komplizierten Apparaturen für diese Tests zu bedienen.

Als man nun versuchte, die Wahrheit über diesen Fall zu erfahren, mußte man feststellen, daß die Original-Computerdaten offensichtlich verlorengegangen waren. Auch waren keine Blutproben für eine weitere Analyse mehr vorhanden. Wir werden also nie erfahren, ob dieser Zugführer in der Tal unter Marihuana-Einfluß gestanden hat. Aber der Einfluß des Falles auf die Politik und die von der ursprünglich publizierten Fassung geweckten Emotionen blieben.

Die permanente Wiederholung des Slogans »Drug War« (bzw. »Krieg dem Rauschgift« bei uns, Anm. d.Ü.) übt einen heimtückischen Einfluß auf die öffentliche Meinung aus. Er gaukelt uns ein Bild von »unserer Seite«. im Gegensatz zu einer »anderen Seite« vor, als gäbe es in diesem Kampf eine Siegesmöglichkeit. Nicht zu siegen würde bedeuten, als Nation zu versagen, ja nicht überleben zu können. So wird es allenthalben behauptet. Permanent wird uns die Botschaft eingetrichtert, daß fast alle Probleme der Nation - seien es die Armut, die Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, die monströs anwachsenden Kriminalstatistiken, die steigende Kindersterblichkeit und andere Gesundheitsprobleme, selbst die Gefahr für unsere nationale Sicherheit durch Terrorismus und ausländische Agenten - direkte Ergebnisse des illegalen Drogengebrauchs seien. Als ob alle diese Probleme netterweise verschwünden, wenn wir eine effektive Lösung für diese schreckliche Geißel der Menschheit finden würden.

Erinnern Sie sich an das Wort »Kristallnacht« aus der Geschichte der Nazis im Deutschland der späten dreißiger Jahre? Als die Staatspolizei und andere Nazis durch die Straßen tobten und Zeichen jüdischen Lebens, Geschäfte, Synagogen und Wohnungen zerstörten? »Wenn wir uns von dem jüdischen Abschaum befreien«, so die Autoritäten, »können wir die sozialen Probleme der Nation lösen.«

In Deutschland wurde die jüdische Bevölkerung angegriffen, geprügelt und totgeschlagen. Es handelte sich um den 'erfolgreichen' Versuch, alle Frustrationen und Vorurteile auf eine Bevölkerungsgruppe zu bündeln, um ihr alle Schwierigkeiten und Probleme der Gesellschaft in die Schuhe zu schieben. Es entstand eine nationale Stimmung der Verbundenheit und geistigen Einheit. Diese erlaubte die Bildung eines üblen, gemeinen, machtvollen, faschistischen Staates. Die Verdammung der Juden, das erübrigt sich wohl zu bemerken, half Deutschland nicht, seine sozialen Probleme zu lösen.

Ich sehe hier eine Parallelentwicklung, auch wenn ein paar Schlagworte ausgetauscht wurden. »Wenn es uns gelingt, den Abschaum der Drogenkonsumenten aus unserer Gesellschaft zu beseitigen, wenn wir ihnen ihre Wohnungen, ihr Eigentum, ihre Crackhäuser konfizieren, dann werden wir die sozialen Probleme der Nation gelöst haben.«

In unserem gegenwärtigen Amerika wird die Drogen gebrauchende Bevölkerung ähnlich als Vogelscheuche herangezogen, und ich fürchte mich vor einem ähnlichen Konsens der Nation, dem Verlust unserer angestammten Freiheiten und unserer individuellen Rechte. Unsere ernsthaften sozialen Schwierigkeiten werden dadurch auch nicht gelöst werden. Wie schwerwiegend ist das Problem mit illegalen Drogen nun wirklich? Allein die beiden gesellschaftlich akzeptierten legalen Drogen Tabak und Alkohol sind in den USA für jährlich über 500.000 Todesfälle verantwortlich. Dazu kommen nochmals ca. 100.000 Tote durch Mißbrauch verschreibungspflichtiger Drogen. Wenn man alle Todesfälle durch illegale Drogen wie Heroin, Kokain, Marihuana, Methamphetamine und PCP zusammenzählt, ergibt das weitere 5000. In andern Worten: wenn durch Zauberei plötzlich alle illegalen Drogen verschwänden, würde dies die Todesfälle durch Drogen in diesem Lande um ein ganzes Prozent verringern. Die verbleibenden 99 Prozent wären dagegen genauso tot wie vorher, aber immerhin legale Tote, also sozial akzeptabel.

Man sagt uns, daß sich die volkswirtschaftlichen Schäden von Produktionsverlusten, die durch illegale Drogen entstehen, auf 60 Milliarden Dollar jährlich belaufen. Diese Zahl wurde auf Grund von Daten einer einzelnen Studie festgelegt, die selbst das National Institute of Drug Abuse als ungültig bezeichnet. In dieser Studie vom Research Triangle Park wurden rund 4000 Haushalte untersucht und deren Einkommen mit dem Haushaltbudget von Marihuana-Rauchern verglichen. Letztere hatten ein niedrigeres Einkommen, und das wurde ihrem Marihuana-Genuß angelastet. Als dies auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet wurde, kam man auf 28 Milliarden. Dazu wurden nun die Beträge drogenbezogener Kriminalitäts-, Gesundheits- und Unfallkosten mit Drogenhintergrund gerechnet, und schon kam man auf 47 Milliarden. Diese Zahl wurde mit der Inflationsrate und dem Bevölkerungszuwachs angereichert, und schon war man bei 60 Milliarden angelangt. Diese Zahl wird nun immer wieder zitiert. Diese schändliche Studie bildet die Basis für den Kreuzzug gegen den Gebrauch illegaler Drogen in der Industrie.

Dabei handelte es sich um die einzige bislang angelegte Studie dieser Art. In ihr wurde auch nach dem Gebrauch anderer illegaler Drogen gefragt. Hätte man die Zahlen aus Haushalten mit Kokain- oder Heroingebrauch als Grundlage für die Hochrechnung genommen, hätte sie bewiesen, daß es da keine Unterschiede zu normalen Haushalten gibt. Man wäre notgedrungen zu dem Schluß gekommen, daß es durch Heroin- oder Kokaingebrauch keine Einbußen der Volkswirtschaft gibt. Aber man brauchte ja Zahlen als Zunder für das Feuer des heiligen Drogenkrieges.
Das Drogenproblem mag nicht so groß sein, wie es uns dargestellt wird, aber es ist allemal groß genug, um Besorgnis zu erregen. Was sind die Ursachen? Unter unserer ärmeren Bevölkerung, vor allem den jungen Schwarzen und Hispanics herrscht ein Gefühl der Hilflosigkeit. Vielen Bewohnern der Innenstädte fehlt jegliches Selbstwertgefühl. Die Arbeitslosigkeit und die Diskrepranz zwischen den Armen und der Mittelschicht nehmen rapide zu. Auf der einen Seite heißt es zunehmend: »Ich hab', was mir gehört und zur Hölle mit dir«, und auf der anderen Seite schallt es: »Ich hab nix zu verlieren, also fick dich.«

Die schändlichen Volksgesundheitsprobleme nehmen sprunghaft zu, sei es nun AIDS, Schwangerschaften von Teenagern, die steigende Kindersterblichkeit oder das Nachlassen ernsthafter Hilfe für Menschen mit psychischen Problemen. Viele Kinder haben weder Familie, noch Nahrung, Unterkunft, Ausbildung oder Hoffnung. In den Straßen unserer großen Städte herrschen fast anarchische Zustände. In den ländlichen Gebieten verschwindet zusehends das Zusammengehörigkeitsgefühl. Alles dies wird dem »Drogenproblem« zugeschrieben, obwohl Drogengebrauch nichts damit zu tun hat.

Drogen sind nicht der Ursprung aller dieser Probleme. Sie mögen eines der Resultate sein, aber nicht der Ursprung. Trotzdem gehört es zu den überragenden nationalen Anstrengungen, die amerikanischen Bürger davon zu überzeugen, daß ein Sieg im »Krieg den Drogen« all diese Probleme schlagartig lösen wird. Auch wenn dabei für den totalen Sieg ein paar unserer Grundrechte geopfert werden müßten.

Dieser Krieg kann nicht gewonnen werden. In diesem sinnlosen Kampf werden wir nur immer mehr Rechte aufgeben müssen, ohne etwas gewinnen zu können. Wir müssen unsere Anstrengungen gegen die Ursachen, nicht gegen die Konsequenzen des Drogenmißbrauchs einsetzen. Aber in der Zwischenzeit geht alles den Bach runter. Ich werde von Menschen als Defätist beschimpft, wenn ich die offensichtliche Lösung vorschlage: Für Erwachsene ist der Gebrauch von Drogen zu legalisieren.

Mir wird unterstellt, ich würde die Botschaft aussenden, Drogengebrauch sei o.k. Eliminiert die Gesetze, und unser Land wird über Nacht Schauplatz einer orgiastischen Drogenepidemie werden. Ich kann darauf nur antworten, daß wir uns allemal schon in einer Situation der Drogenschwemme befinden. Jeder, der zahlen kann, hat freien Zugang zum Drogenmarkt seiner Wahl und vergrößert dadurch die Macht der kriminellen Organisationen, wie wir es sei den glorreichen Zeiten der Alkoholprohibition in den USA nicht mehr erlebt haben.

In der Tat mag es sein, daß eine Beseitigung der Drogengesetze ein paar schüchterne Presbyterianer ermuntern könnte, auch einmal Kokain zu schnupfen; aber der grundsätzliche Drogengebrauch wird nicht größer werden, als er heute bereits ist. Nach ein paar Experimenten wird der Bürger zu dem zurückkehren, was er bislang genossen hat. Es gibt doch keine stille Mehrheit, die nur darauf wartet, daß Drogen legalisiert werden, um dann, Holdriee!, zuzuschlagen. Die Mehrheit der Menschen wird Nutzen daraus ziehen, daß Polizei und Gerichte sich wieder den wahren Problemen wie Diebstahl, Vergewaltigung und Mord, jenen Verbrechen gegen die Gesellschaft, für die wir Gefängnisse brauchen, zuwenden können. Denn Kiffen, daran sei nochmals erinnert, ist an sich kein antisozialer Akt.

Lassen Sie mich nun eine einfache Frage stellen: Welche Indikatoren würden Sie als Merkmale eines Polizeistaates akzeptieren, wenn sich dieser klammheimlich um Sie herum materialisieren würde? Ich meine einen Staat, den Sie nicht tolerieren könnten. Einen Staat, in dem vielleicht weniger Drogen genommen, in dem die Machthaber aber mehr und mehr Ihr tägliches Leben reglementieren und Ihre Freiheiten einschränken würden. Ich bitte nun jeden von Ihnen ganz persönlich und privat eine imaginäre Linie zu ziehen, eine Linie, die sagt: bis hierhin und nicht weiter!
Ich möchte Ihnen einige Gedanken als Richtlinien vorgeben. Wie steht es mit einer Zwangs-Urinabgabe, bevor man Sozialhilfe oder einen Job bei McDonalds erhält? Oder dem beaufsichtigten Pissen in einen Becher, bevor Ihr Kind eingeschult werden kann? Würde Ihnen eine solche Aktion klarmachen, daß unsere Nation in der Klemme steckt?

Immer mehr große Gesellschaften und Arbeitgeber in den USA bestehen auf Urintests vor der Einstellung und führen Zufallsanalysen während der Arbeitszeit durch. Nicht nur Busfahrer und Polizisten müssen zwangspissen, auch Möbelverkäufer und Angestellte im Gemüsegeschäft. In einigen Schulen werden schon Urintests für Schüler ab der siebten Klasse eingeführt, wenngleich diese bislang nur mit der Einwilligung der Eltern durchgeführt werden dürfen. Bewohner von Sozialwohnungen, Empfänger von Universitätsstipendien u.A. müssen versichern, daß sie sich und ihre Umgebung drogenfrei halten. Heute werden solche verbalen Versicherungen noch akzeptiert, aber was kommt morgen?

Können Sie sich vorstellen, sich täglich an Kopf & Körper zu rasieren, damit niemand eines Beweises Ihres Drogenkonsums in der Vergangenheit habhaft werden kann? In Ihren Haaren ist Ihre Drogengeschichte manifestiert, und es wird zusehends mehr Wert darauf gelegt, im Zusammenhang mil legal korrekten Festnahmen auch gleich die Haare des Überführten zu analysieren, um seine kriminelle Drogenkarriere zu beweisen.

Wie reagieren Sic, wenn die Regierung plötzlich darauf besteht, daß Sie bei einer Reise nach Holland größere Summen als 300 Dollar im Voraus anzumelden haben? Oder 200 Dollar? Vormals gab es da keine Beschränkung, inzwischen sind wir bei 10000 Dollar angelangt, aber diese Zahl wird sicherlich demnächst mit dem Hinweis auf Drogengeldwäschereien weiter gesenkt.

Vieles von dem, was ich hier angesprochen habe, betrifft 'den anderen', aber nicht direkt Sie. Ihr Drogen genießender Nachbar wird ein paranoides Leben führen müssen, aber nicht Sie. Es ist ein Leichtes, diese Erosion des Privatrechts als geringfügig abzutun, wenn man nicht selber zu den Betroffenen gehört. Aber lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen, die nicht so leicht zu beantworten ist: Wann und wo sind Ihre persönlichen Grenzen erreicht?

In welchem Ausmaß darf Ihnen jemand Ihr persönliches Verhalten vorschreiben und kontrollieren? Welche Zugeständnisse an das Wohlbefinden der Allgemeinheit sind Sie bereit zu machen? Lassen Sie mich davon ausgehen, daß für Sie ein Urintest auf Konkainkonsum akzeptabel ist. Sie nehmen womöglich kein Kokain. Wie würden Sie aber einem freiwilligen Tabaktest gegenüberstehen? Wie steht es mit der Testbarkeit Ihres Alkoholkonsums? Oder Ihrem Kaffeekonsum?

Bis zu welchem Punkt würden Sie es den Autoritäten erlauben, sich in Ihr Privatleben einzumischen? Lassen Sie uns einmal annehmen, daß ein Polizist ohne Durchsuchungsbefehl wegen einer Angelegenheit, in der Sie unschuldig sind, Ihre Wohnung durchsuchen möchte. Lassen Sie ihn herein? Wie würden Sie reagieren, wenn er Ihre Wohnung in Ihrer Abwesenheit durchsuchen würde? Würden Sie dann immer noch sagen: »Das macht mir nichts aus, ich habe nichts zu verbergen?«

Ich bezweifle, daß sich viele von Ihnen durch die Existenz einer nationalen computerisierten Fingerabdruck-Kartei bedroht fühlen werden. Wie aber steht es um Ihre Einstellung zu einer nationalen Gen-Bank? Was halten Sie von einer speziellen Polizeierlaubniskarte für Auslandsreisende? Wie würden Sie reagieren, wenn Sie nach jeder Auslandsreise eine Haarprobe abgeben müßten? Wie steht es um Ihre Gefühle, wenn Ihre Post automatisch geöffnet und gelesen würde? Alle diese Maßnahmep könnten als Strategie im Krieg gegen Drogen eingeführt werden. Wo würden Sie die Grenze des für Sie Akzeptablen ziehen? Jeder von uns muß diese Linie für sich selber ziehen. Es handelt sich hier um eine sehr persönliche Entscheidung, die Ihnen niemand abnehmen kann. Wann sind Ihre persönlichen Grenzen erreicht? Wann sagen Sie: »Bis hierhin und nicht weiter!« ?

Dann gilt es eine zweite, ebenso wichtige Entscheidung zu fällen. Diese ergibt sich, wenn wir das zuvor gesagte rekapitulieren. Zuerst gilt es, jene Grenze zu ziehen, bis zu der wir eine Erosion unserer Rechte und Freiheiten akzeptieren würden — wenn sie uns unter dem Deckmantel des »Krieg dem Rauschgift« untergejubelt würde.

Daraus würde sich als Konsequenz der zweite Schritt ergeben, und der betrifft Ihre Zukunft: Entscheiden Sie am besten schon im voraus, was Sie tun werden, wenn Ihre Toleranzgrenze überschritten sein wird? Was werden Sie tun, wie werden Sie reagieren, wenn der Punkt erreicht ist, an dem Sie erkennen: »Das geht nun wirklich zu weit. Jetzt ist die Zeit gekommen, etwas zu unternehmen!« ?

Entscheiden Sie jetzt, wie Sie dann reagieren werden. Malen Sie sich schon heute aus, welche Schritte Sie morgen unternehmen werden. Passen Sie genau auf. Es ist ein Leichtes zu sagen: »Nun, die Grenze ist zwar erreicht, aber alles andere scheint doch gutartig zu laufen und ich bin nicht selber direkt bedroht, vielleicht sollte ich meine Grenze doch von hier nach dort verschieben.« Diese verführerische Rationalisierung kostete im von Nazis besetzten Europa Millionen von Menschen das Leben.

Wenn Sie in der Lage sind, Ihre Grenzen zu verschieben, so waren Sie schon von Anfang an nicht ehrlich zu sich selber.

WO SIND IHRE GRENZEN?

Und, wenn diese überschritten werden:

WAS WERDEN SIE TUN?

Seien Sie sich der politischen Entwicklung permanent bewußt. Verfolgen Sie Trends und Richtungen, die die Innenpolitik einschlägt. Überdenken Sie Ihre eigenen Pläne im voraus, während Sie alles in Ihrer Macht stehende tun, eine weitere Beschneidung Ihrer Rechte und Freiheiten zu verhindern.

Geben Sie Ihre Rechte nicht wehrlos auf, nur um der Polizei ihre Arbeit zu erleichtern. In der Tat könnte das zwar helfen, mehr Kriminelle zu fassen, aber früher oder später können Sie selber entsprechend bedroht werden. Die Aufgaben der Polizei sind nicht leicht, das haben schon die Gründerväter unserer Republik klar gemacht. In einem freien Land sind die Aufgaben der Polizei immer schwer. Eine Gesellschaft freier Bürger wird immer mit Kriminalität, Gewalt und sozialen Unruhen leben müssen. Sie wird niemals absolut sicher sein. Die Alternative dazu ist der Polizeistaat. Ein Polizeistaat kann Ihnen Sicherheit auf der Straße bieten, dafür müssen Sie allerdings mit Ihrer Menschlichkeit, mit Ihrem Geist bezahlen.

* * *

Zusammengefaßt: Vergessen Sie nicht, daß ein Verdächtiger so lange als unschuldig zu gelten hat, bis man ihm in einem Prozeß seine Schuld bewiesen hat. Der neugierige Bürger muß allzeit Zugriff auf die von ihm gewünschten Informationen haben. Es sollte ihm möglich sein zu lernen, was er will, ohne daß ihn ideologische Gründe eines anderen daran hindern dürfen.

Dem Einzelgänger muß erlaubt sein, nach seiner Facon zu leben, ob seine Nachbarn das nun gut finden oder nicht. Jeder muß sich in seine Privatsphäre zurückziehen können. Jeder sollte, so ihm danach ist, die Freiheit besitzen, den ganzen Tag vor dem Fernseher zu sitzen und zu glotzen. Oder unablässig Konversationen mit seinen Katzen halten. Oder, wenn dies sein Begehren ist, Drogen seiner Wahl zu nehmen. So lang jemand durch seine Taten nicht das Wohlbefinden oder die Freiheit eines anderen beeinträchtigt, sollte ihm die Gelegenheit gegeben werden, so zu leben, wie er möchte. Man sollte ihn in Ruhe lassen. Ohne wenn und aber.

Ich bin überzeugt davon, daß die sukzessive Abschaffung der Drogengesetzgebung und die damit Hand in Hand gehende Informationsvermittlung über die wahre Natur der Drogen, der Vor- wie der Nachteile, sowie die Abschaffung von Urintests und ähnlichen Perversionen des juristischen Systems dazu führen würden, daß sich die Gefängnisse erheblich leeren. Wenn das hierdurch eingesparte Geld in wirklich benötigte soziale Verbesserungen und die öffentliche Gesundheitspflege, die Obdachlosenhilfe, Drogentherapien und psychiatrische Hilfen umgeleitet werden könnte, dann wäre uns allen geholfen. Und die Energien der Strafverfolger könnten wieder jenen Aufgaben zugewendet werden, für die wir unsere Steuern zahlen.

Unsere Gesellschaft mag dadurch hier und da etwas unsicherer werden, aber für unsere Köpfe & Körper wäre es gesünder. Die jungen Männer mit Knarren könnten auf den Straßen keine Profite mehr einheimsen. Menschen mit Drogenproblemen würden leichter Hilfe finden, statt wie bislang Monate in Verwirrung und Hilflosigkeit darauf warten zu müssen. Schließlich könnte die Erforschung der Wirkungen einzelner Drogen und möglicher Therapieformen wieder in Gang kommen und uns neue Möglichkeiten des Lernens eröffnen.

Wir wären wieder freie Bürger in einem freien Land. Ein Vorbild für den Rest der Welt.

Zum Abschluß möchte ich etwas aus einem Brief vorlesen, den ich gestern erhalten habe. Ein junger Mann, dem Psychedelika eine große Hilfe in seiner Entwicklung zum Schriftsteller waren, hat ihn mir geschrieben.

»Ist es denn verwunderlich, daß gesetzliche Verbote des Gebrauchs von Psychedelika traditionell mißmachtet wurden? Das monströse Ego (oder die Dummheit!) eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen, die glauben, sie hätten das Recht oder die Macht, mich in meinem Körper und in meinem Geist zu reglementieren!

Das ist in der Tat absolut falsch. Eigentlich müßte man darüber lachen, wenn es nicht so traurig, ja tragisch wäre.
Es hat den Anschein, als ob alle Gesellschaften eine Gesetzesstruktur, Regeln und Einschränkungen brauchen. Nur absolut fanatische Anarchisten werden dem widersprechen. Ich habe als verantwortungsbewußter und erwachsener Mensch nicht vor, jemandem anderen als mir die Wahl darüber einzuräumen, was ich mit und in meinem Kopf & Körper anstelle. Von der Haut inwärts unterliege ich meinen eigenen Gesetzen, oder? Ich treffe die Wahl, was ich reinlasse oder nicht. Hier bin ich der Zollbeamte und die Küstenwache. In diesem Territorium bin ich mein eigener rechtlicher und spiritueller Führer. Hier gelten nur meine eigenen Gesetze. Nur ich darf diese überwachen. Würde ich mir nun das Recht nehmen, die Territorien anderer zu sabotieren oder zu besetzen, so hätte jede Nation das Recht, ja die Pflicht, mich entsprechend zu bestrafen.

Aber was ich denke? Wohin ich meine Aufmerksamkeit lenke? Welche biochemischen Reaktionen ich mir auch aussuche, um innerhalb meiner eigenen Haut zu forschen, das hat mit keiner anderen Person und deren Glauben, Moral, Gesetz oder Vorliebe zu tun!

Ich bin ein souveräner Staat. Ich fühle, daß mir meine Grenzen heiliger sind als die Grenzen eines politischen Staates.«

Dazu kann ich nur »amen« sagen. Das wärs.

Bis zum nächstenmal.

Alexander Shulgin

übersetzt & fürs Netz freigegeben von
Werner Pieper and 'the Grüne Kraft'.
Maximum Respect dafür!