Kein Knast für Drogen - Heidelberger DeklarationHeidelberger DeklarationWir, die Anwesenden der 1. Internationalen Konferenz über die Opfer im 'Krieg den Drogen' (25.2.96) und andere an der Thematik Interessierte erklären hiermit unter dem Motto Kein Knast für Drogen: Religiöse, rituelle, hedonistische und medizinische Nutzung natürlicher Drogen, z.B. Cannabis, Zauberpilze, begleiten die Menschheit von Urbeginn an. Der Gebrauch dieser und der ihnen entsprechenden synthetischen Substanzen, z.B. LSD, MDMA, gehören nicht pauschal illegalisiert. Von dieser Regel mag es vernünftige Ausnahmen geben. Gefängnis kann dabei aber nie eine wirkliche Hilfe sein. Die repressive Politik der vergangenen Jahre und die von ihr erzeugten Marktmechanismen bewirken mehr individuelle und gesellschaftliche Schäden, als dies Drogen je könnten. Wir verurteilen die oft brutalen Methoden, mit denen Menschen wegen Gebrauchs und Handels von Drogen in Malaysia, Saudi Arabien, den USA und anderen Ländern kriminalisiert, inhaftiert und in einigen Gebieten sogar zum Tode verurteilt werden. Dies sind irrationale Akte sozialer Kontrolle ohne generalpräventive Wirkung, die Menschenrechte verletzen. Drogenprobleme lassen sich nicht strafrechtlich, sondern nur präventiv therapeutisch lösen. Es ist also eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gleiches gilt für den Gebrauch suchtbildender und toxischer Drogen wie Heroin, Kokain, Amphetamine etc. Wir propagieren nicht den zügellosen Gebrauch von Drogen, weder der psychedelischen, noch der legalen oder illegalen Suchtdrogen. Wir wollen dazu beitragen, daß diese Mittel vernünftig, gesundheits- und verantwortungsbewußt genutzt werden. Die Kriminalisierung bewirkt in der Regel das Gegenteil. Wir bemühen uns um Aufklärung in der Öffentlichkeit, insbesondere von Jugendlichen. Wir wollen realistische und glaubwürdige, weil auf eigenen Erfahrungen und nicht auf veralteten Theorien & staatlicher Propaganda basierende Informationen über Drogengebrauch, Wirkungen und Risiken verfügbar machen. Keiner politischen Macht steht das moralische Recht zu, den Gebrauch psychoaktiver Substanzen pauschal zu verbieten. Wir befürworten für jeden erwachsenen und kompetenten Menschen die freie Wahl der psychoaktiven Substanzen zur Erforschung eigener, nicht-alltäglicher Bewußtseinszustände. Dafür muß die Voraussetzung geschaffen werden, daß umfassende fachkundige Orientierungshilfen statt pauschaler Verteufelung angeboten werden. Wir fordern die umgehende Amnestie von Opfern des Drogenkrieges, nationale und internationale Abkommen, die einer Entkriminalisierung entgegenstehen, zu überdenken und neu zu formulieren, das Ende des Drogenkrieges. Wir hoffen auf Frieden. Kein Knast für Drogen1. Internationaler Kongreß über die Opfer im Krieg dem Rauschgift am 25. Februar 1996 in HighdelbergHanf ist eine sehr schöne Pflanze. Rein optisch, für viele aber auch der Wirkung wegen. So für James Geddes, der fünf Pflanzen zum Eigengebrauch anpflanzte. Dafür bekam er in Oklahoma zweimal fünfundsiebzig Jahre Gefängnis aufgebrummt. Daß solch eine drakonische Strafe kein Einzelfall in den USA ist, davon konnte man sich am 25.2.96 beim 1. Internationalen Kongreß über die Opfer im Krieg dem Rauschgift im Heidelberger Karlstorbahnhof überzeugen. Während in der Stadthalle der vielbeachtete Kongreß der akademischen Psychedeliker (ECBS) stattfand, traf sich im Karlstorbahnhof die Bundeskonferenz der Grünen Hilfe, einer Drogenrechtshilfe, die vor fünfundzwanzig Jahren in Heidelberg (remember Release, Brunnengasse?) gegründet wurde, um über die potentiellen Leiden des erwischten Kiffers und psychedelischen Privatforschers zu reden. Nach Abschluß des großen Kongresses, trafen sich dann etwa hundertzwanzig Interessierte aus zwölf Nationen, unter ihnen Jürgen Ploog, Christian Rätsch, Ralph Metzner und Albert Hofmann, um sich über die Opfer der absurden Drogengesetzgebungen in aller Welt zu informieren. Stefan Haag berichtete, daß man sich in den meisten Ländern der Welt loskaufen kann, so man das nötige Kleingeld zur Verfügung hat, Christiane Eisele erzählte von der Arbeit mit der Grünen Hilfe, die Großmutter Eva Gorig aus Trier gab bekannt, daß man die Patenschaft für einen Hanf-Knacki übernommen hätte. Adrian Bronckhorst vom Drugs Peace House in Amsterdam verfolgt eine interessante Strategie: es gibt die Drogenliebhaber und die harten Gegner derselben - und viele uninformierte Menschen dazwischen. Diese gilt es mit glaubwürdigen Informationen über die Gefahren über die Gefahren des Konsums illegaler Drogen korrekt aufzuklären. Wenn man sich mit dem Thema vertrauter macht, wird man zur eigenen Verblüffung feststellen, daß nicht die Drogen Ursprung der menschlichen Tragik sind, die damit verbunden wird, sondern die Drogenpolitik bzw. die Gesetzgebung. Wer illegale Drogen nimmt, schadet keinem zweiten oder dritten, schlimmstenfalls nur sich selber, wenn er unsachgemäß vorgeht. Beim Drogenkrieg handelt es sich inzwischen um eine Art Religionskrieg, in dem es um Glaubenssätze, nicht mehr um Fakten geht. Es gibt keinen stichhaltigen Grund, Menschen wegen Drogen in den Knast zu stecken. Besonders klar wurde dies bei der Ausstellung Greuel des Drogenkrieges, in der Opfer desselben aus den USA samt Foto und Leidensgeschichte vorgestellt wurden. Als John Beresford vom Committee On Unjust Sentencing aus Toronto Briefe von zehn prisoners-of-war an die Konferenzteilnehmer verlas, konnte sich ein Großteil der Anwesenden der Tränen nicht erwehren. Beispiel Amy Pofahl: ihr seinerzeit schon lange von ihr getrennt lebender Mann ließ Ende der 80er Jahre bei Imhausen in Lahr eine Million Ecstasy-Tabletten herstellen. Erwischt und festgenommen bat er sie, ihm zu helfen. Durch diese Hilfe wurde sie, die von den Machenschaften ihres Ex-Mannes nichts wußte, für die amerikanische Staatsanwaltschaft zur Komplizin in einem Bandenverbrechen. Er saß vier Jahre in deutschen Gefängnissen und ist nun - wie wunderlich - auf freiem Fuß. Sie weigert sich, gegen ihn oder den gemeinsamen Freundeskreis auszusagen und sitzt inzwischen das fünfte von aufgebrummten vierundzwanzig Jahren im Knast. Wie ihr ergeht es in den USA Tausenden von Frauen, die sich weigern, gegen ihre Söhne, Männer und Väter auszusagen. Da wendet sich der normale Bürger mit Entsetzen ab, da er solch einen Rückfall in mittelalterliche Sippenhaft allemal nicht glaubt. Es ist der Blanke Horror, so auch der Titel einer Broschüre, in der entsprechende Fälle (teils mit Aktenzeichen) dokumentiert sind. Bei uns ist es glücklicherweise (noch?) nicht so schlimm. Die Zeitungen berichten von der neuen Straffreiheit bei Haschischkonsum (der bei uns aber auch noch nie verboten war). Die straffreie kleine Menge verleitet nun immer mehr Jugendliche, auch ihren Freunden ein kleines Stück zu besorgen. Um so verblüffter die Reaktion, wenn immer mehr Jugendliche als Dealer immer höhere Strafen zu erwarten haben. Da wo das Strafrecht nicht mehr greift, nimmt man den Leuten, die in den vergangenen vier Wochen mal gekifft haben, einfach den Führerschein ab. Stell Dir mal vor, das würde man mit einem Bürger machen, nur weil er vor zwei Wochen mal über den Durst getrunken hat. Und unser aller Drogenbeauftragter Lintner gab im Februar von sich: "Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin den Liberalisierungs- bzw. Legalisierungsforderungen beharrlich widersetzen..." Das, so waren sich die Teilnehmer der Tagung in Heidelberg einig, können wir nicht hinnehmen. So wurde einstimmig die Heidelberger Deklaration verabschiedet. Nachdem eine vorläufige Endfassung während des ECBS-Kongresses nochmal von Dr. Verres ergänzt wurde, wird sie inzwischen in sechs Sprachen übersetzt und weltweit verbreitet. In ihr geht es um die Forderung nach Frieden im Drogenkrieg. Die Initiatoren haben sich für die Verbreitung ein Jahr Zeit gegeben. In diesem Zeitraum suchen sie möglichst viele Unterzeichner, Unterstützer und Spender für diese Aktion. Prominentester Erstunterzeichner: Dr. Albert Hofmann, der jugendliche neunzigjährige Erfinder des LSD, der auch als erster Spender für diese Aktion in Erscheinung trat. Die Tagung erfuhr acht Tage später in London eine Wiederholung mit ähnlicher Besetzung, für 1997 ist ein weiterer Kongreß in den USA in Vorbereitung. Wie formulierte es Bert Marco Schuldes, als ich ihm für seine Teilnahme am Kongreß danken wollte: "Bedank Dich nicht. Ist doch auch purer Egoismus. Ich liebe es nun mal nicht, wenn Freunde im Knast verschwinden. Und meinen Kids möchte ich ersparen, daß ich ihnen einmal ein paar Monate fehle. Außerdem stelle ich mir das herrlich vor, wenn dereinst meine Enkel zu mir kommen und mich für ihren Drogenunterricht befragen: 'Sag mal, Du warst doch damals in Heidelberg dabei - erzähl uns doch mal von der allerersten Konferenz!'" Werner Pieper Mehr Informationen über den Kongreß, die Heidelberger Deklaration, die Grüne Hilfe und das Heft 'Der Blanke Horror' |