zu der angeblichen auflösung

Zu der angeblichen Auflösung der Bewegung 2. Juni

Jawohl, die Fraktion, die seit drei Jahren versucht, die Bewegung 2. Juni auf RAF-Linie zu bringen, ist zur RAF gegangen. In ihrem Übereifer haben diese Genossen gleich die gesamte Bewegung mitaufgelöst – in einem Meer von Phrasen.

Den Genossen, die uns ansprachen und fragten, wer diesen unpolitischen Quatsch geschrieben habe, müssen wir sagen, dass das nicht ganz richtig ist. Wäre es nur „Quatsch“, bräuchten wir keine Angst zu haben, dass dieser „Quatsch“ sich in Schwachsinnsaktionen umsetzt, wie zum Beispiel Flugzeugentführungen, etc. Hier nehmen wir die Warnung des Genossen Mao Tse Tung ernst, dass man subjektivistischen Dreck bei der Einschätzung der politischen Situation, den einige Genossen verbreiten, nicht unbeantwortet lassen soll. Denn es gibt immer unerfahrene Genossen, die solchen Theorien nachjagen und dann nicht nur sich, sondern uns – der ganzen linken Bewegung – unglaublichen Schaden zufügen.

Dieses „Auflösungspapier“ enthält keine materialistische Analyse, sondern eine Aneinanderreihung von Phrasen.

Eins noch vorab: da nun einmal die Wurzel der »pervertierten Spaßguerilla von Reinders, Teufel, etc.« offen gelegt wurde, erklären wir: Die Spaßguerilla ist aufgrund der Kritik der kompromisslosen ‘fighter’ für ‘leader’ und Strategie schon längst in der Auflösung aufgelöst worden. »Reinders, Teufel, etc.« haben bereits mit Daumenabdruck beglaubigt: Die Spaßguerilla ist aufgelöst! Jawohl! – Jahrelang haben wir die eigene Perversität zur tragenden Säule des Widerstandes gemacht. Schluss damit! Spaß ist pervers! Und Spaß am Kampf ist perverser Spaß! Wir greifen jetzt schon seit Wochen freudig zu den Ketten der Selbstgeißelung.

Klatsch….aaahh….Klatsch….aaahh….

Allerdings sind nicht alle Punkte in diesem »Auflösungspapier« so lustig. So auch die Behauptung, die Bewegung 2. Juni hätt sich »als Widerspruch zur RAF gegründet«. Die Bewegung 2. Juni entstand durch den Zusammenschluss von drei Westberliner Gruppen, die den bewaffneten Kampf entwickeln und organisieren wollten.

Die größte der drei Gruppen waren die ‘Tupamaros Westberlin’, die bereits seit 1968 zahlreiche Aktionen in Berlin durchführten. Angegriffen wurden Einrichtungen und Symbole des Imperialismus und Zionismus, Betriebe, die Entlassungen vorgenommen haben, und vor allem im Rahmen der 1969 gelaufenen APO-Justizkampagne Gerichtsgebäude und Richter und Staatsanwälte.

Aus dieser Praxis heraus leitete die Bewegung 2. Juni die weiteren Überlegungen ab. Die weiteren umfassenderen Zielvorstellungen, die Wahl der Mittel und Methoden des Kampfes waren die Ergebnisse der damaligen Erfahrungen aus der Jugendrebellion.

Sicherlich ist es richtig, dass die Bewegung 2. Juni nicht wie die RAF ein »Konzept der Stadtguerilla« theoretisch niedergelegt hat. Das war auch schlechterdings unrealistisch. In einem Land, in dem sich nach zwölf Jahren Nazi-Terror und 20 Jahren antikommunistischer Hetze eine Jugendbewegung erstmals wieder auf sozialistische Ideen zu besinnen beginnt, nach wenigen Jahren des Aufbruchs, der sich auf keine ungebrochene Tradition stützen kann, beginnt ein Haufen proletarischer jugendlicher mit einem unverschämten Selbstbewusstsein den Kampf aufzunehmen: gegen Fremdbestimmung und Ausbeutung, gegen Gleichgültigkeit über Völkermord und Imperialismus, gegen die wahnsinnige kapitalistische Konsummaschinerie, die die menschlichen Bedürfnisse zur Fratze fremden Profits verzerrt. Aus der eigenen Betroffenheit entwickelte sich der Widerstand, und aus den dabei gewonnenen Erfahrungen und der immer weitergehenderen Verarbeitung der gesamtgesellschaftlichen Situation entwickelten sich die strategischen und taktischen Überlegungen. Diese dialektische Entwicklung von Theorie und Praxis ist auch der Weg, den Marx als Voraussetzung für den Erfolg revolutionärer Politik erkannt hat.

Es gab damals keine ausreichenden praktischen Erfahrungen, aus denen man in Deutschland ein derart endgültiges „Konzept“ hätte entwickeln können. Die Tatsache, dass die RAF ihr damaliges „Konzept Stadtguerilla“ nicht in die Praxis umsetzen konnte, beweist das.

Die Widersprüche zwischen RAF und Bewegung 2. Juni ergaben sich damals zum einen aus der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte der Gruppen: die Bewegung 2. Juni aus den sozialen Zusammenhängen ihrer Akteure und die RAF aufgrund ihres theoretischen Revolutions-Modells. Zum anderen aus dem zentralistischen Organisationsprinzip der RAF einerseits und den autonomen, dezentralen Strukturen andererseits. Ein weiterer Konfliktpunkt ergab sich aus der Frage der Illegalisierung der Kader, die die RAF zum Prinzip erhob.

Von daher waren die direkten Vorläufer der Bewegung 2. Juni bereits zu jener Zeit eine praktische – proletarische – Alternative.

Eine Alternative, die mit Konkurrenz überhaupt nichts, mit unterschiedlichen Vorstellungen über den revolutionären Kampf dafür umso mehr zu tun hatte.

Stattdessen gab es gerade in der Anfangsphase der beiden Gruppen starke gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Aktionen, wie zum Beispiel die Enteignungsaktionen in drei Westberliner Bankfilialen im September 1970. Damals gingen noch beide Gruppen davon aus, dass schließlich die Zukunft zeigen werde, welche der politischen Vorstellungen sich langfristig durchsetzen werde.

In diesem obskuren „Auflösungs-Papier“ wird die Gefangennahme von Lorenz durch die Bewegung 2. Juni und die Befreiung mehrerer Gefangener heftig angegriffen. Es wird behauptet, bei dieser Aktion seien „alle Fehler zu finden, die wir zehn Jahre lang gemacht haben“.

Ganz gewiss sind in den Jahren bis 1975 und auch bei der Lorenz-Aktion Fehler gemacht worden – die Niederlage im September1975 beweist dies nur zu deutlich. Aber das, was uns hier als politische „Selbst“-kritik verkauft werden soll, ist an Ignoranz und Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten.

Da soll also „der Kampf der Stammheimer Genossen eine nationale und internationale Mobilisierung“ geschaffen haben, „die durch den HS auf den Höhepunkt gebracht und von Schmidt kaum noch zu verkraften war“? (Deshalb ging er wohl 1975 auch immer so gebückt?). Und das knapp vier Wochen nach Abbruch des HS, weil über die erfolgte Zusammenlegung in Stammheim hinaus vorläufig nicht mehr zu erreichen war.

Welche „politisch zugespitzte Situation“ soll denn da gemeint sein? – Etwa der HS? Oder vielleicht der Berliner Wahlkampf ? – oder gehört zu der politischen Situation nicht auch der Kampf um Wyhl? Massenarbeitslosigkeit? Inflationsrate? undundund …

Und Schmidt? – der hat noch einiges mehr verkraftet (leider).

So, wie sich dieses „Auflösungs-Papier“ liest, hatte der HS beinahe den Sturz des Westzonen-Regimes zur Folge, der nur deshalb nicht geschah, weil der 2. Juni – die historischen Schweinehunde – durch „die Auswahl der Gefangenen“ die schon fast hoffnungslose Situation für Schmidt zu dessen Gunsten „politisch gekippt“ hat.

Der 2. Juni, der Retter der Nation und Helfer Schmidts (Helmut. wo bleibt das Bundesverdienstkreuz?!). Und das alles kurz bevor die RAF das politische Kräfteverhältnis zu Ihren Gunsten kippen konnte. Das darf doch nicht wahr sein.

Mal im Klartext: wer heute die Lorenz-Aktion, den einzig größeren Sieg in zwölf Jahren bewaffneter Kampf, so mit Scheiße bewirft, dem ist echt die Hirnpaste am Auslaufen, aber total!

Auf die Frage, wie da Genossen zu derart weltfremden „Einschätzungen“ kommen können, gibt das Papier die Antwort selbst.

Da soll uns revolutionäre Politik verkauft werden, als „Angriff“, der den Riss zwischen Gesellschaft und Staat zum Bruch entwickelt.

Na, so was!

Wir sollen also den Riss zwischen der kapitalistischen Gesellschaft und ihrem Ausdruck, dem bürgerlichen Staat, entwickeln helfen. Klingt wie: Befreit die Leitern von ihren Sprossen, dann haben wir endlich ‚ne freie Leiter.

Von der kann zumindest keiner mehr runterfallen.

Dieses Papier ist Ausdruck von Phrasenhaftigkeit, Oberflächlichkeit, Selbstüberschätzung, Arroganz, Massenfeindlichkeit und Resignation.

Was unter den widersprüchlichen Phrasen zutage tritt, ist ein Spiegelbild der bürgerlichen Gesellschaft: wo auf der einen Seite Kapitalinteressen die gesellschaftlichen Bedingungen diktieren, verkommt der bewaffnete Kampf auf der anderen Seite zum Selbstzweck. Der Mensch ist in keinem Falle mehr gefragt. Wiedervereinigung in der Entfremdung.

Debray hat In „Kritik der Waffen“ diesen Prozess zutreffend beschrieben: „Die Frage nach den Organisationsformen des revolutionären Kampfes lässt sich nicht stellen, ohne dass man zuvor die andere Frage gestellt hat: welchen Klasseninteressen dient die Guerilla als Instrument? Die technischen Probleme der Methode außerhalb ihres Zusammenhanges mit den Zielen und Bestrebungen der Massen aufzuwerfen, denen diese Methode dienen soll; die Organisationsprobleme der Avantgarde unabhängig von der Klasse oder dem Klassenbündnis anzugehen, deren Instrument dieser Avantgarde ist, hieße das Mittel mit dem Zweck zu verwechseln und somit den Fuß ins Leere zu setzen. Der schmerzlich reale Niedergang lässt sich theoretisch wie folgt in Etappen zerlegen: zunächst wird das militärische Instrument von der sozialen Klasse, die gewaltsame Methode von ihren ökonomischen und sozialen Anwendungsgebieten getrennt; darauf setzt sich logischerweise das Instrument über die Klasse und die Methode über ihre realen Anwendungsbedingungen hinweg, so dass beide zu beherrschenden und bestimmenden Faktoren werden (‚der Hauptaspekt im dialektisch vereinigten Gegensatzpaar‘); schließlich tritt das Instrument – die Armee oder Partei – an die Stelle der Klasse und die Methode – der bewaffnete Kampf – an die Stelle ihrer Zweckbestimmtheit; womit dann schließlich das Instrument nur noch tut, was ihm passt und der revolutionäre bewaffnete Kampf zum „linken Terrorismus“ wird.

Was ist das für eine Guerilla, deren Aufgabe es nie sein soll, „sich der Bevölkerung gefällig zu zeigen, um ihren Beifall zu bekommen“? Für was und vor allem: mit wem will diese Guerilla denn kämpfen?

Die Konstruktion des Gegensatzes „populistische Linie“ – „politische Orientierung“ Ist unsinnig. Das Problem einer ‚falschen populistischen Strategie‘ stellt sich nicht – es sei denn, die Guerilla hinkt noch hinter den Interessen und Kampfbereitschaft des Volkes hinterher.

Na klar sollten die Aktionen der Bewegung 2. Juni populistisch sein – im wahrsten Sinne des Wortes: volkstümlich. Sie sollten Menschen politisch für uns gewinnen und sie nicht dem Staat in die Arme treiben. Es ist keineswegs besonders revolutionär, auf die Sympathien des Volkes zu scheißen.

Und Beifall, also Zustimmung zu einer Aktion oder Politik der Guerilla zu bekommen, heißt doch, dass das Eis des allgemein herrschenden Bewusstseins gebrochen wird und ein Ansatz für die Unterstützung revolutionärer Politik entsteht. Der ‚Beifall‘ schafft das Wasser, ohne dass es keine Verbreiterung, keine Mobilität, keine Logistik, keine Aktionsmöglichkeiten für die Guerilla gibt.

Wir sind vor zehn Jahren alle unter der Parole ‚dem Volke dienen‘ angetreten. In Mogadischu wurde sich des Volkes bedient. Unsere ganzen Anstrengungen, der Bullenpropaganda entgegenzuwirken, dass es auch die ‚Blumenfrau von der Ecke‘ treffen könnte, wurden mit einem Schlag unglaubwürdig gemacht.

Der Unterschied zwischen Terrorismus, der undifferenziert jeden treffen kann, und revolutionärem Kampf ist der, dass eine revolutionäre Aktion sowohl in Stoßrichtung als auch in der Art der Durchführung eindeutig ist, – gezielt gegen den Klassenfeind und seine Handlanger – den Bullen keine billigen Argumente liefert. Anderenfalls sich die Aktionen gegen ihre Urheber richten. Und das ist keine taktische sondern eine prinzipielle Frage!

Revolutionäre Politik kann sich nur aus dem Zusammenhang der potentiell revolutionären Klasse entwickeln – und nicht gegen sie. Wer laufend über die ‚Entsolidarisierungskampagne‘ lamentiert, sollte sich mal überlegen, dass es im Wesentlichen die eigenen Fehler waren, die sie ermöglicht haben.

Ein Hauptfehler ist es, den bewaffneten Kampf zum Fetisch zu machen – kämpfen um zu kämpfen: „Der politische Angriff – materialisiert durch die Waffe – bleibt immer ein Sieg, selbst da, wo die Operation militärisch geschlagen wird, weil er diesen Prozess antizipiert und einleitet“. – Dieser Satz ist ein Meisterstück im dialektischen Denken! Oder schlichter: von Gehirnakrobatik. Der Faustschlag wird immer zum Treffer, weil er diesen Prozess einleitet und antizipiert (vorwegnimmt), auch wenn er danebengeht …

Wir bestimmen einen politischen Angriff danach, ob er zielgerichtet ist, Vorteile für uns birgt, den Gegner schwächt. Und das bestimmt auch jeweils die Form des Angriffs – bewaffnet/legal/illegal. Der politische Inhalt bestimmst die Kampfform, und nicht umgekehrt!

Überhaupt als Guerilla zwischen politisch und militärisch so trennen zu wollen, das haut allen ‚Klassikern‘ von Clausewitz über Mao und Che bis ins Gesicht!

Andauernde militärische Niederlagen beruhen immer auf politischen Fehlern.

Sich nicht um seine Basis zu kümmern, die Verbindung zum alltäglichen Kampf des Volkes verlieren, die politischen und konkreten nationalen/regionalen Bedingungen des Kampfes falsch zu analysieren – das sind die Kardinalfehler!

Mit der viel zitierten „Kontinuität der Guerilla in ihrer Strategie“ ist es bei realistischer Betrachtung auch nicht weit her. Es wäre auch kein besonderes Ruhmesblatt für politisches Handeln, wenn man über zehn Jahre immer die gleiche Strategie, ungeachtet aller abgelaufenen Prozess und Veränderungen, beibehielte.

Sich mit den globalen Einschätzungen in diesem „Auflösungspapier“ auseinanderzusetzen zu wollen, ist großteils nicht möglich. So hat zum Beispiel „Schmidt Westeuropa – unter Führungsrolle der BRD – die politische Bestimmung geben: Projekt und Modell des Imperialismus in der Krise gegen die Befreiungsbewegungen in der 3. Welt und in der Metropole Westeuropa.“ Diesem Satz einen politischen Sinn geben zu wollen, würde dem Versuch ähneln, die Nordsee mit einem Sieb auszuschöpfen.

Dass der „bedingungslose Einschluss Westeuropa in die US-Militärstrategie“ eine schlichte Erfindung ist, sollte jeder zum Beispiel seit dem faktischen Austritt Frankreichs aus der Nato erkennen. Die Nato ist Ausdruck des gemeinsamen Interesses ihrer Mitglieder, den „freien Westen“ gegenüber der Sowjetunion zu halten und auszuweiten.

Innerhalb dieses gemeinsamen strategischen Interesses herrscht Konkurrenz zwischen den Metropolen. Vom Stahlkrieg EG-USA bis zum Autokrieg Japan-USA-EG. Von dem Iran-Boykott der EG, der keiner ist, bis hin zum ökonomischen Vormarsch Japans in China gegen die USA/EG. Die imperialistischen Staaten sind mal treffend als ‚feindliche Brüder‘ bezeichnet worden, geeint durch den gemeinsamen Feind, die Sowjetunion.

Dass die Metropolen nach wie vor nach Innen aufrüsten, gehört zum Wesen eines jeden kapitalistischen Staates, der dies zur Niederhaltung seiner ‚Bürger‘ in Krisenzeiten tun muss – nicht deshalb, weil es eine „zunehmende Gleichgültigkeit der Kämpfe weltweit“ gäb. Diesen Eindruck kann nur ein Sammler haben, der ungeachtet aller spezifischen Bedingungen der jeweiligen Kämpfe, ihrer Gründe, ihrer sie tragenden Klassen, usw. einen Aufstand in Hinterindien mit den letzten Tarifabkommen der ÖTV in einen ‚objektiven‘ Zusammenhang bringt. Die Massen, die die Geschichte machen, machen sie aber eben nur da, wo sie sich befinden. Wer hier seine Uhr nach Teheran oder Hanoi stellt, der macht sich Illusionen, die in die Irre führen und nichts mit proletarischem Internationalismus zu tun haben.

Wer sich in nahezu teutonischer Katastrophenlaune immer wieder einzureden versucht, dass der Imperialismus kurz vor seiner Niederlage in der 3. Welt stünde und mit Donner und Getöse von der Weltbühne abtreten würde, der streut sich und anderen Sand in die Augen! Die zitierte „Kette der Niederlagen von Angola bis Kamputchea“ glänzt durch die Nicht-Erwähnung der Siege des Imperialismus: Ägypten, Somalia, China, Irak anscheinend und Süd-Korea immer noch.

Ständig wird der Alltag des Imperialismus, seine Bewegungen, schon als sein Todeskampf missverstanden. Der aber wird in den Metropolen stattfinden; hier, wo der Reichtum von den arbeitenden Menschen produziert wird, aus dem er die Macht zieht, andere Länder zu beherrschen. Von daher ist es eben nicht so, dass eine nationale Befreiung eines Landes in der 3.Welt den Imperialismus vor unlösbare Probleme stellt.

„Die Imperialistische Politik sucht jetzt die militärische Lösung, die sie nicht erreichen kann und kommt so – in der Vorbereitung totaler Vernichtung auf den nackten Begriff Ihres Inhalts.“ – Der Satz ist reif für’n Hohlspiegel.

Sucht, findet nicht, vernichtet den nackten Begriff. Des Inhalts? Vielleicht auch den inhaltlichen Begriff des Nackten? Wer weiß, was da nun wieder gemeint ist.

Die Schreiber gehen davon aus, dass in Europa – um einer „endgültigen strategischen Niederlage in der 3.Welt“ aus dem Wege zu gehen – ein atomarer Krieg vorbereitet wird.

Die Imperialisten wären verdammt dumm, wenn sie ihre Anlagen in der 3. Welt durch die Vernichtung Europas, wo ein Vielfaches investiert ist, erhalten wollten. Wenn schon ein „begrenzter atomarer Krieg“ in Europa führbar gemacht werden soll, dann aus dem Interesse der USA heraus, die Sowjetunion strategisch weiter einzubinden. Sollte es tatsächlich zu einem „begrenzten atomaren Krieg“ in Europa kommen – was unwahrscheinlich ist -, dann würde das im Kalkül der US-Imperialisten bedeuten, dass ein listiger Konkurrent die EG – und ein strategischer Gegner – die Sowjetunion – entscheidend geschwächt werden, ohne selbst direkt angegriffen zu werden.

Wo die „Auflöser“ sich mit derartig globalen Problemen wie „begrenzten atomaren Kriegen“ und ähnlichem beschäftigen, sollte man meinen, dass Sie die Lösungen für die Probleme hier nur so aus dem Ärmel schütteln. Aber dazu kommt nix!

Und das, obwohl in dem Papier an einer Stelle richtig bemerkt wird, dass die „Entscheidung letztendlich in den Metropolen fallen wird“.

Wer im „Herzen der Bestie“ – wie Che es nannte – kämpfen will, der muss mit den Problemen des Kampfes hier vertraut sein und sich selbst in diesen Kampf einordnen können.

Insofern ist das „Auflösungs-Papier“ auch der papierene Ausdruck dessen, was die Guerilla in eine politische Krise getrieben hat. Es wird kiloweise Papier über internationale Zusammenhänge, Nato-Komitees usw. produziert, aber die meisten Aktionen hatten in den letzten Jahren nichts mehr mit dem Kampf der Linken und noch weniger mit dem alltäglichen Widerstand des Volkes überhaupt zu tun. Auch die Ausnahmen – autonome und RZ-Aktionen – konnten die folgende Isolation der Guerilla nicht verhindern. Allerdings haben einige Genoss/inn/en diese Krise erkannt und daraus gelernt, dass sie einer totalen Niederlage gegen die Konterrevolution nur entgehen können, wenn sie ihre Politik nicht länger getrennt von den alltäglichen Kämpfen führen.

Aus der Isolation ausbrechen heißt, Zustimmung nicht nur bei denen zu bekommen, die ohnehin unsere Politik vertreten, sondern auch die Menschen zu überzeugen, die noch nicht auf unserer Seite sind.

In dieser Phase des Kampfes bedeutet das, dass wir eine Menge zu lernen und zu vergessen haben. Alte Schubladen, in die wir zu lange unhinterfragt Genossen oder Gruppen gesteckt haben – „der will keine Guerilla“, „der ist gewaltfrei“, der nen „Revi“, der nen „Grüner“, und so weiter, müssen wir ausräumen und versuchen, die Sachen, die uns tatsächlich trennen, denen gegenüberzustellen, die uns verbinden.

Niemand wird – angesichts der Situation der gesamten Linken in der BRD – die Notwendigkeit von Bündnispolitik bestreiten können. Bündnispolitik heißt nicht, die eigene Position zu verraten, sondern die Gemeinsamkeiten in der jeweiligen Etappe des Kampfes herauszuarbeiten. Nur so können wir unserem Ziel, die reale Mehrheit des Volkes für die soziale Revolution zu gewinnen, näher kommen.

Es geht uns um die Entwicklung sozialrevolutionärer Politik – eine sozialistische Alternative gegen das sozialdemokratische Krisenmanagement.

In den achtziger Jahren werden Arbeitslosigkeit und Inflation in Westeuropa Ausmaße annehmen, die kaum noch jemand für möglich hielt. Durch den Einsatz neuer Techniken wie zum Beispiel Mikroprozessoren werden die Rationalisierungen rapide zunehmen und die Arbeitshetze für all die verschärfen, die noch nicht auf der Straße sitzen. Die härtere Konkurrenz auf einem relativ erschöpften Weltmarkt wird in den imperialistischen Staaten die Geldentwertung vorantreiben und die Reallöhne weiter sinken lassen. Weil der Staat immer mehr vom gesellschaftlichen Reichtum für Subventionen und Rüstungsausgaben zur Durchsetzung der Kapitalinteressen ausgeben muss, wird das „soziale Netz“ – ohnehin aus den Taschen derjenigen finanziert, die es dann tragen soll – immer löchriger werden. Breite Schichten der Bevölkerung werden deklassiert/verproletarisiert werden und noch unter die offizielle Armutsgrenze rutschen.

Da die Herrschenden genau wissen, dass all das eine Verschärfung der Widersprüche zwischen ihnen und dem Volk mit sich bringt, bereiten sie sich auf die kommenden Auseinandersetzungen vor. Einmal in der altbekannten Manier, indem sie ihren Repressionsapparat weiter verfeinern und aufrüsten; zum anderen versuchen die Sozialdemokraten und Technokraten das Bewusstsein der Menschen zu verkleistern mit ihren reformistischen Sprüchen und ‚Dialogen‘, wie sie Baum anbietet. Sie wollen verhindern, dass sich die Unzufriedenen, Beleidigten und Unterdrückten mit der linken Opposition zusammentun und sich gemeinsam radikalisieren. Deshalb wollen sie auch vorher die Linke neutralisieren, einkaufen, um jeder Bewegung, die diesen Staat insgesamt infrage stellen könnte, vorzugreifen.

Inwieweit sie damit Erfolg haben, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es uns gelingt, in bereits ablaufende Konflikte gerade an den Punkten einzugreifen, wo sie nicht mehr reformistisch vom Staat zu lösen oder zu entschärfen sind und er seine Gewalt direkt einsetzen muss. Jeder Kampf in Teilbereichen – ob Anti-AKW-Bewegung, Häuserkampf, Frauenbewegung, Anti-Militarismus, Kampf der Arbeitslosen oder dem im Betrieb.

Die grundsätzlichen Probleme, die hinter der Fassade des „Sozialstaates“ stehen, lassen sich letztendlich nur gewaltsam lösen. So bleibt zum Beispiel ein kapitalistischer Betrieb immer eine Stätte der Ausbeutung und unmenschlicher Arbeitsbedingungen – trotz Mitbestimmung, Tarifabkommen und Betriebsrat. Denn der Profit ist in diesem Staat immer noch das Maß der Dinge.

Für den werden auch bei entsprechendem Anlass ein paar tausend Bullen aufgeboten. Wie auch Gorleben gewaltsam geräumt wurde, da eine weitere Behinderung der Bauarbeiten das gesamte Atomprogramm noch weiter verzögert hätte; was sich die BRD-Monopole nicht leisten können, wollen sie weiter auf dem Weltmarkt durch ihr hier erworbenes Know-how konkurrenzfähig und profitabel bleiben.

Überall da, wo die ökonomischen oder politischen Interessen der Herrschenden massiv angegriffen werden, reagiert der Staat mit Gewalt – von Grohnde bis Brokdorf, vom Westend bis zum Dreisameck, von der Rekrutenvereidigung in Bremen bis zur Amerika-Haus-Besteigung in Westberlin, von der gesetzlichen Absegnung der Aussperrung bis zum Verprügeln streikender Drucker.

In all diesen Kämpfen versucht der Staat auch sein Gewaltmonopol zu verteidigen, was eine Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren der Ausbeutung und Kapitalverwertung ist. Deshalb versucht er auch, jeden Zweifel an der Legitimität dieses Gewaltmonopols zu unterdrücken.

Wenn wir das Gewaltmonopol des Staates – sowohl praktisch als auch im Bewusstsein des Volkes – durchbrechen wollen, dann müssen wir durch militante Aktionen in die Kämpfe des Volkes eingreifen. Wir müssen beispielhafte Aktionen machen, die von vielen verstanden und nachvollzogen werden können, und gleichzeitig klarmachen, dass illegale Aktionen notwendig sind.

Ein AKW, was trotz Bauplatzbesetzungen und Demos nicht zu verhindern war, bleibt ein taubes Ei, wenn die Hochspannungsmasten umgelegt werden.

Ein Baukran arbeitet nur so lange für einen Bauspekulanten, solange er nicht ausgebrannt ist.

Ein Wohnungshai, der Wohnraum zerstören lässt, bekommt davon nen sinnlichen Eindruck, wenn seine eigene Bude „renoviert“ wird.

Ein Stadtbauamt hat gewisse Schwierigkeiten mit weiterem Kahlschlag, wenn es ausgebrannt ist.

Ein Knastdirektor bekommt weniger durch Petitionen und Bettelbriefe nen Eindruck vom Knastalltag, als durch Ein paar Kugeln in die Beine.

All die kleinen und großen Volksfeinde können sich nicht mehr in ihrem Glanz sonnen, wenn sie befürchten müssen, für ihre Schweinereien zur Verantwortung gezogen zu werden!

All die Eingriffe in die alltäglichen Kämpfe selbst dürfen das längerfristige Ziel die Vereinheitlichung aller Widerstandsherde – nicht außer Acht lassen. Erst dann kann eine breite militante, revolutionäre Bewegung entstehen, um in einem lang anhaltenden Zersetzungsprozess aller herrschenden Strukturen – ökonomischer, politischer, militärischer – die soziale Revolution in den Metropolen zu erkämpfen.

Dieses Ziel – die soziale Revolution –, erscheint sie auch heute noch so utopisch, dürfen wir nie aus den Augen verlieren, sonst verlieren wir uns in Sekten, abgehobenen Theorien und politischer Bedeutungslosigkeit.

Noch ein letztes zu dem »Auflösungs-Papier«:

Sozialrevolutionäre Politik – für die unter anderem auch die Bewegung 2. Juni steht – lässt sich nicht »auflösen« wie ein kleinbürgerlicher Schrebergartenverein!

Berlin-Moabit,
im Juni 1980

Reinders
Viehmann
Fritzsch

aus dem Reader zur 97er Veranstaltung

Quelle: Der Blues