Grimms Märchen

Der Grimm war mein eigener und das Märchen zugleich Schlußwort in dem Prozeß in München, gehalten so etwa im Dezember 1970 - wegen einem funktionsunfähigen Brandsatz im Amtsgericht München, was erst ne magere Indizienkette und dann 2 Jahre Knast gab.

Liebe Genossinnen und Genossen,
zum Schluß erzähl euch jetzt der Fritze ein Märchen, DAS MÄRCHEN VOM TAPFEREN GESPENST:
Ess war einmal ein Gespenst.
Das Gespenst bedrohte die Feinde des Volkes.
Das Gespenst ging um. In Europa.
Das war sein Fehler.
Europa war zu klein.

Denn die Feinde des Volkes plünderten schon längst die ganze Welt, die hausten draußen noch viel schlimmer als in Europa, wo sie das Volk zeitweise mit den kolonialen Brosamen ihrer Beute köderten und besänftigen.
So gingen die Völker Europas den Feinden des Volkes auf den Leim und wurden mitschuldig.

Vor 100 Jahren nahm das Gespenst in Paris zum erstenmal kurz Gestalt an. Es hieß Pariser Kommune. Aber die Feinde des Volkes vereinigten sich, allen voran ein gewisser Bismarck, der große Teile seines Volkes dahin brachte, statt der Freiheit Kommißbrot, stinkende Heringe und Stockschläge zu lieben. Das Gespenst wurde jämmerlich verprügelt.

Da machte sich das Gespenst auf die Socken und schlich in die weite Welt hinaus.

Die Feinde des Volkes wurden übermütig und machten in Europa ein großes Blutvergießen. Sie waren nicht einig, wer den größten Profit haben sollte. Auch war es nicht ihr Blut, das vergossen wurde, sondern das Blut der Völker.

Da faßte das Gespenst Fuß in Rußland.

Von dort bedrohte es wieder die Feinde des Volkes.

Die erkannten die Gefahr, vereinigten sich wieder und kämpften verzweifelt gegen das Gespenst. In Deutschland, in Italien, in Spanien und anderswo.

Die Freunde des Gespenstes waren noch zu uneinig, viele waren Verräter und ließen sich von den Feinden des Volkes bezahlen, um das Volk in die Irre zu führen.

Noch einmal triumphierten die Feindes des Volkes in Europa. Dabei wurde das Gespenst auch in Rußland arg verunstaltet und deformiert.

Aber das Gespenst machte sich wieder auf die Socken und breitete sich aus in China, wo es sich prächtig entfaltete. Es sprang über nach Afrika und Lateinamerika.

Und wieder bedrohte das Gespenst die Feinde des Volkes in Europa und Nordamerika, wo sie ihren mächtigsten Stützpunkt errichtet haben.

Die Feinde des Volkes wollen uns weismachen, das Gespenst sei vielleicht gut für die Völker in Asien, Afrika, Lateinamerika. Gleichzeitig versuchen sie das Gespenst dort mit Napalm zu verbrennen, zu erschießen, zu foltern, einzulochen und auszuhungern.

Die Feindes des Volkes werden immer brutaler.

Aber das Gespenst ist zäh.

Das Gespenst wird immer stärker.

Das Gespenst kämpft an allen Ecken und Enden.

In Nordamerika hat das Gespenst eine mächtige schwarze Faust erhoben.

Die Formen des Kampfes zwischen dem Gespenst und den Feinden des Volkes werden immer vielfältiger.

Das Gespenst enteignet die Feinde des Volkes. Es besetzt Schulen, Fabriken, Häuser, Land.

Das Gespenst läßt sich nicht mehr so einfach massakrieren und abschlachten wie 1871 in Paris. Das Gespenst nimmt die Waffe in die Hand.

Das Gespenst bedroht ganze Berufszweige, die von den Feinden des Volkes als Handlanger gemästet wurden.

Das Gespenst schnappt sich Diplomaten, Richter, Journalisten, Pollütiker und Konsorten.

Wer will da noch Handlanger der Feinde des Volkes sein?

Handlanger machen immer absurde Sachen.

Sie kriechen mit der Lupe und Taschenlampe bei Tageslicht über billige Teppiche, beschnüffeln Post, Mikrospuren und Gesinnungen.

Handlanger sammeln wie die Ameisen unnütze Daten und ziehen immer falsche Schlüsse.

Handlanger sehen keine Zusammenhänge.

Handlanger sitzen feist auf gepolsterten Stühlen in muffigen Sälen, blättern in staubigen Akten, murmeln griesgrämig und menschenverachtend Urteile im Namen der Feinde des Volkes.

Das Gespenst geht um.

Es fordert noch immer Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Zärtlichkeit.

Das Gespenst will Freiheit für alle.

Vorher ist es nicht zufrieden.

Das Gespenst organisiert den solidarischen Kampf aller unterdrückten Rassen, Klassen und Massen.

Neulich machte ein Feind des Volkes an einem Ort einen Kniefall, wo einer seiner Vorgänger zahllose Menschen hat umbringen lassen.

Da kann das Gespenst nur gespenstisch lachen.

Denn der selbe Typ unterstützt aktiv die Politik von Napalm und Folterungen in Indochina, Palästina, Angola, Mozambique, Guinea, Südafrika, Brasilien und anderswo.

Dieser Feind des Volkes wurde von anderen Feinden des Volkes zum Mann des Jahres gewählt, worauf die restlichen Feinde des Volkes applaudierten.

Nur die Feinde des Volkes, die von Heuchlern Reaktionäre genannt werdenn, applaudierten nicht, sondern schimpften, denn sie sahen im Geiste schon die vielen Kniefälle in Asien, Afrika und Lateinamerika vor sich, die dem Kniefall von Warschau folgen müssen.

Das halten die feistesten Knie nicht aus.

Die Feinde des Volkes haben feste Häuser eingerichtet, wo das Brot schlecht und die Zärtlichkeiten verboten sind. Dort lochen sie Leute ein, von denen sie dem Volk einreden wollen, sie seien schuld an den mannigfachen Ärgern und Kümmernissen des Volkes.

Diese Leute heißen 'Kriminelle'.

Es sind Leute wie du und ich.

Neuerdings lochen sie auch wieder Leute ein, die verdächtig sind, mit dem Gespenst, das die Feinde des Volkes bedroht, zu kooperieren. Diese Leute heißen Rebellen und Revolutionäre.

Es sind Leute wie ich und du.

Da für die Feinde des Volkes das Gespenst ein Gespenst ist und also unsichtbar, lassen sie häufig auch Leute einlochen, von denen die fälschlich meinen, die kooperierten mit dem Gespenst.

Diese Leute profitieren von der Verwechslung und fangen wirklich an, das Gespenst zu unterstützen.

Die Feinde des Volkes lassen die Insassen dieser Häuser bewachen, wie sie sonst nur ihr Geld bewachen lassen und ihr Eigentum.

Diese Häuser heißen Moabit, Tegel, Stadlheim, Landsberg, Laufen, Niederschönfeld, San Quentin usw. Es gibt auch welche für Frauen. In Berlin zum Beispiel in der Lehrter Straße und in der Kantstraße.

Aber auch in diesen Häusern wird das Gespenst immer stärker, die Feinde des Volkes immer ratloser.

Natürlich geht niemand gerne in diese Häuser. In Stadlheim haben sich über Weihnachten mehr Menschen umgebracht als im "freien Teil" der Stadt München.

In Stadlheim sind ungefähr 1000 Menschen.

In München 1 Million.

Das zeigt wie die Insassen dieser Häuser vond en Feinden des Volkes schikaniert werden.

Das Gespenst weiß: solange Leute in diesen Häusern sitzen gibt es auch draußen keine Freiheit.

Das Gespenst weiß: solange Leute in diesen Häusern sich umbringen müssen, müssen sich auch draußen Leute umbringen, solange Menschen in diesen Häusern kaputt gemacht werden können von tückischen Handlangern, können auch draußen Menschen kaputt gemacht werden.

Das Gespenst weiß: viele Erziehungsheime, Wohnheime für Gastarbeiter und so weiter sind auch nicht besser als diese Häuser.

Das Gespenst geht um. In der Welt.

Das Gespenst fragt: Was kostet die Welt?

Das Gespenst zahlt jeden Preis, um die Feinde des Volkes für immer zu entmachten.

Soweit die Märchenstunde.

Manche werden bemerken, daß an dem Märchen vom Gespenst mehr dran ist als an den Märchen, die z.B. der Achim (Achim Hausmann vom Münchner Staatsschutz) hier erzählt hat.

Grundsätzlich muß natürlich bei allen Märchen geprüft werden, in welcher Weise sie mit der Wirklichkeit in Beziehung stehen.

In Wirklichkeit ist das Gespenst aus dem Märchen kein Gespenst, sondern die revolutionäre Wirklichkeit, in der wir leben.

Die wirklichen Gespenster sind die Feinde des Volkes und ihre Handlanger.

Che lebt.

Die Kennedys, auch die noch nicht erschossenen, sind eine Erfindung der Regenbogenpresse.

Jimmy Hendriy lebt.

Rüdiger Pieske (vom Rias-Tanz-Orchester) klappert mit dem Sargdeckel.

Carlos Marighela wird immer lebendiger.

Moshe Dayan und der Münchner Polizeipräsident stinken.

Der fromme Erich (gemeint war der Vorsitzende Erich Fromme) ist eine Mumie.

Er spricht nur in Formeln:
Der Saal ist zu lüften / Kann der Zeuge entlassen werden? / Dort hinten sitzt noch jemand / Ich entziehe Ihnen das Wort / Der Saal ist zu durchsuchen / Der Saal ist zu räumen / Sprechen Sie mir nach / Sowahr mir Gott helfe / Gemäß $ 007 / der Antrag wird abgelehnt / Ich erkläre dienstlich / wafra wafra wafra

Erichs Stimme ist gequetscht. Sie klingt nach 10.000 Jahren Sexualunterdrückung und 100.000 Jahren Generalunterdrückung.

Erich ist so leblos, daß man meint, er hätte alle Gefängnisstrafen, die er je verhängt hat, selbst abgesessen.

Erich spielt mit Geschick den souveränen Richter. Zur Feier dieses Prozesses gebietet er über zahlreiche Lederjacken und diverse Maschinenpistolen.

Erich verhängt keine Ordnungsstrafen.

Wozu auch?

Was sind ein paar Tage Ordnungshaft, wenn man Leute ohne weiteres 7 Monate in U-Haft halten und vielleicht zu ein paar Jahren verurteilen kann.

Vielleicht beneidet Erich seinen Kollegen Julius Hoffmann in Chicago, der nach USSA-Recht vier Jahre Ordnungsstrafe über Verteidiger und Angeklagte gleichermaßen verhängen durfte. Das lohnt sich schon eher.

Erich ist mit Julius weder verwandt noch verschwägert.

Höchstens identisch.

Erich ließ mich weder fesseln noch knebeln. Ich werde diskriminiert wegen meiner weißen Hautfarbe.

Geprügelte Kinder müssen sich das Pinkeln verkneifen.

Die geprügelte Justiz verkneift sich den Zorn und pißt erst bei der Urteilsverkündung ins Bett.

Die Kröte (ja, eine Kröte war auch dabei, getarnt als Staatsanwalt Hubert Grader - mein Antrag, sie bei schönem Wetter im englischen Garten in der Nähe eines Tümpels auszusetzen, war abschlägig beschieden worden) ist unwirksam. Attackiert von allen Seiten, von Erich abgekanzelt. Träumt von Salatblättern und einem sonnigen Plätzchen. Vielleicht auch von einem Kuß einer Jungfrau, die aus Hubert einen strahlenden jungen Prinzen macht.

Hubert tat seine Pflicht. Mehr nicht.

Die Beisitzer sitzen bei.

Der männliche Beisitzer durfte ein großzügig bewilligtes Gespräch mit der Mutter Teufel überwachen. Da konnte er sich entfalten. Er brüllte, daß er weiß Gott kein Unmensch sei, aber flüstern, Frau Teufel, so geht das nicht.

Die Beisitzerin hat etwas Backfischhaftes. Sie tuschelt verschämt mich Erich. Der sagt dann, die Frau Beisitzerin hat noch eine Frage. Einmal durfte die Frau Beisitzerin einen Beschluß vorlesen.

Die Schöffen sitzen geduckt. Sie sind sich des Ernstes bewußt. An der Urteilsfindung werden sie sich so rege beteiligen wie am Prozeßverlauf im Saal. Dazu sind sie auch da.

Das Gericht wird sich zur Beratung zurückziehen. Dabei werden die beiden Schöffen in eine rotierende Plexiglastrommel gesteckt.

Wenn der Schöffe A zuerst aus der Trommel fällt, dann werden alle amerikanischen Truppen sofort aus Vietnam zurückgezogen.

Fällt der Schöffe B aus der Trommel, dann bedeutet das Freiheit für alle Gefangenen.

Der Saalwachtmeister weiß schon wie das Urteil ausfällt. Er will es aber nicht verraten.

Der Kriminalbeamte Hausmann verabschiedet sich nach Haussuchungen mit dem fröhlichen Scherzwort "Wenntschiremos".

Genossinnen und Genossen,
Wir werden siegen!

Quelle: Der Blues, Seite 15-21