Kabarett & Unikümmer

--- geht da nicht einer mal durch diese Redaktionsräume von diesem ---
na, paranoiden Leuten, und sagt:
"Eh, Hans Magnus! Eh, Henning Venske!
Hallo, Hessischer Rundfunk! ------

Die Welt ist doch auch schön, oder???"
Ich meine: Die Welt ist doch auch schön, oder???"

Wir machen doch das ganze Tamtam nur, wir sagen
doch nur *# DER STRAUSS!!! #§ und der WEINBRAND
WILLY BRANDT und DIESE GANZE GESELLSCHAFT §$!
und DER SCHMIDT, wenn ich das sehe! und der KOHL
und der*!##! --- eh, hört doch mal auf! Warum
machen wir'n des: Warum sagen wir denn "Die
Evangelische Kirche! Der Ayatollah! Der Papst!" -
Warum: Na, die Welt ist doch auch schön, oder???

Und als ich anfing, hier sitzen zu bleiben, hab
ich gesagt: Nee, nee, mich kannste nich betrügen.
Die Welt IST nicht schön. Da ist NICHTS, was sich
lohnt, da muss ALLES geändert werden. --- Nachdem
ich keine Langeweile mehr habe, sondern Muße -
sage ich: "Diese Welt kann man nicht kaputtmachen."

... Also erstmal sehe ich das gar nicht so,
daß das Kabarett heute noch 'ne Aufgabe erhält,
da muß ich wieder an Werner Finkh denken
und 'ne kleine Gedenkminute einlegen -
weil das ist ja nun wirklich ein Liebling von mir,
und, wie ich sehe,
wird es immer mehr ein Liebling der Nation.
Das ist ja auch nur ein tumber Mann gewesen,
der nichts in der Atta hatte,
von zuhause weggerannt wie'n AL-Grüner,
Hausbesetzer, Instandbesetzer, aus B. abgehauen --
Werner Finkh ja.
Deutschlands liebster Stotterer,
also, wie Friedrich Luft sagt,
kein besonders kluger Mann ---
aber doch ein Kabarettist,
ma wie ich mir ein Vorbild nicht besser wünschen kann!

Wie Laotse isser auf seinem Pferd,
oder isser auf seinem Schuh losgegangen
und hat im nächsten Dorf gesagt:
"Sagense mal,
wo gibt's denn hier Milch,
ich brauch Milch.
Können Sie verstehen,
daß ich Milch brauche?"
- Und so hat er immer -
durch Ansprechen
- die Leute -
und durch Antworten kriegen -
hat er sich immer mehr zu Conference entwickelt,
zum Conferencier,
sodaß er dann -
plötzlich -
in einem Varietè Conferencier war ...

Und DAS ist doch'n Werdegang,
der für die Arbeitslosen heute wieder -
für die letzen Ungelernten,
nicht für die Facharbeiter
- eine Hoffnung ist -
wie auch ich :
"Eh! Du kannst dich ja aus dem,
der mundfaul ist,
der überhaupt nicht sprechen kann ---
zu einem SUPER ROCK UND ROLL KABARETTISTEN entwickeln!"
Während du Arbeitslos bist!

Die Hoffnung,
das Kabarett heute:
Also, Werner Finkh würde sagen:
"Die Auf... die aufgabe des Kabaretts,
äh, die Aufga... -
Die Aufgabe des-
Unsere Aufgabe kann nicht in unserer Aufgabe bestehen!" -
Dieser Satz von Werner Finck ist unglaublich,
der überlebt. Warum?

Früher hatte das Kabarett 'ne Funktion,
das HAT es nicht mehr, Mönche ohne Kirche!
ÜBERALL ist Kabarett: Josef Ertl.
Nun mal, was ist denn nu in der Landwirtschaft los:
Kabarett! Nichts weiter!
Der Bauer lacht schon,
wenn er die Kuh sieht morgens.
Weil er weiß,
was im Umweltschutz ist,
ja?
Die lacht schon,
die Bäuerin,
die sagt schon:
"Ich faß schon gar nicht mehr das Euter an,
ich seh schon die Droge,
die da, Östro, ge'."

Also, das ist doch alles Kabarett.
Das ist doch klar,
da gibt's doch keine Richtung mehr.
Das ist doch das,
was dieser amerikanische Offizier
1946 in München zu gesagt hat:
"Ich geb' Ihnen mal Tucholsky",
sagt er, "lesense mal durch" -
Hatt' ich noch nich' gekannt.
"Aber -
Sie sind'n Absolutist,
das wissen Sie, ja?" -
Das war ja Tucholsky nicht,
der war ja kein Absolutist.
Der war ja handfest,
der hatte ja 'ne Richtung.

... Dann hab ich keine Sehnsucht.
Ob ich Sehnsucht habe nach fünfhundert Leuten,
die da unten sitzen,
und ich mache mein liebes Gesicht -
und sage:
"Meine lieben, goldigen Mitmenschen,
jetzt kommt gleich wieder 'ne Pointe,
na ich kann Ihnen sagen,
da hab' ich jahrelang dran gefeilt
und erwarte einen Lacher,
so fett,
daß ich mir siebenundzwanzig Bauernbrote damit streichen kann." -
Klar, ist das'n gewisser Reiz.
Das is'n Reiz,
is'n Genuß,
is'n Törn,
der Mensch is'ne Droge,
die da unten sitzt ---
aber:
Ich sitz ja nicht umsonst hier
jeden Tag zehn Stunden.
Ich erkenne mich natürlich inzwischen in den Leuten.
Ich steh auf der Bühne,
gucke nach unten,
ich hab's ja probiert, ja? -
und sehe:
"Mann,
da sitz' ick ja dreihundertmal unten
und will von MIR was hören!"
Was für'n Quatsch,
geh' doch ab, Mann!
Hast doch garnichts zu sagen
für dich selbst
da unten,
ich bin's doch selbst!"

Ich hab' also heut'n Durchblick.
Ich weiß,
daß ich vier Milliarden mal auf der Erde bin.
Einmal mit so'm Gesicht,
als ganz Langer,
einmal als ganz Kurzer, Dicker, ja?,
einmal als sommersprossiger Zahnloser,
einmal als niedliche alte Indianerfrau,
also ich hab'n Durchblick,
daß ich es bin,
der auf der Erde wandelt -
Viermilliardenmal. -

Die Distanz hab' ich nicht mehr,
ich bin verschmolzen mit dem,
was man "mein Publikum" nennt.
Verstehen Sie?

Ich erkenne MICH,
sozusagen,
und ich mache mir nichts mehr vor,
ich brauch' da nicht mehr
auf die Bühne kommen, ---
alles andere,
was wir da vorher gemacht haben,
immer wieder die Welt zurechtrücken:
Eh,
der Außenminister Haig
IST kein schlechter Außenminister,
auch dieser amerikanische Präsident da,
und diese englische Präsidentin -
guckt doch mal hin,
AL, und Grüne,
was schimpft Ihr da,
als ob der Hund ---
es sind doch die RICHTIGEN Leute,
die die alte Welt in Ordnung bringen wollen,
AN DIE ARBEIT,
sagen sie,
ES MUSS DOCH MAL GEARBEITET WERDEN
-Warum -
na, weil eines Tages
überhaupt nicht mehr gearbeitet wird!

Ich habe ja noch nie in meinem Leben
Kabarett gemacht. -
Ich BIN Kabarett.
Wer spricht denn so echauffiert wie ich?
Macht doch nur eine Persönlichkeit
des öffentlichen Unrechts,
Neuss.
Niemand doch sonst.
Wer macht das denn sonst.
Wer stellt sich denn ununterbrochen in Frage.
Wer schafft sich denn ununterbrochen ab!?
- Neuss.

Das empfehl' ich zum Beispiel Strauß mal,
ja, ich würde es dem Herrn Strauß empfehlen.
Willy Brandt nicht mehr,
der kann sich nicht mehr abschaffen,
das ist ein
- im wahrsten Sinne des Wortes -
schreitendes Denkmal geworden.
Aber:
Strauß,
der auch schon ein Denkmal ist,
ist MIR ähnlicher,
der überlebt,
der Strauß,
als Persönlichkeit.
Schon weil er auf Franz von Assisi steht.
Willy steht eben auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht,
und da ist Strauß stärker.
Franz von Assisi ist einfach stärker
als Rosa und Karl.
So gern ich die beiden habe, ja,
die hab' ich ja so gerne
weil sie so schwach sind.
Aber:
Franz von Assisi -
Straußens geistiger Hintergrund,
was man ja auch sehen muß --
das ist nu alles Gärtnerplatz-Theater,
was ich hier rede über den,
und er selbst ---
Aber:
Man muß die Chance doch sehen
von so'nem Mann,
was der hat:
Der hat doch nur noch das Schöne vor sich,
der Franz Josef Strauß,
der hat doch jeden Dreck hinter sich,
inklusive zwei Nutten in New York.
Nun -
ich begeile mich an dieser Figur jetzt nicht,
wie es die Kanal-Kabarettisten
mit dem Kanal machten,
überhaupt nicht,
sondern ich rede ja im Gegenteil -
umarme ihn,
und versuch doch mal,
ob er auch mal umarmen kann.
Denn -
Schleswig-Holstein und Bayern
sind ja wirklich ein Problem
in unserem Land.
Ich fühl' mich jetzt
in den augenblicklich bestehenden drei Deutschlands
sehr wohl,
wobei ich Westberlin als erstes Deutschland anerkenne.
Als zweites Deutschland die DDR,
als drittes Deutschland,
also die Dritte Welt ist für mich:
die Bundesrepublik.

Jetzt haben wir aber noch'n viertes Deutschland:
das ist Bayern,
offensichtlich:
durch die Versäumnisse der Politiker.
Das Volk liebt die Bayern über alle Maßen.
Die Schleswig-Holsteiner sagen,
die Bayern ...
wenn ich nach Bayern komme,
ist es für mich,
als ob ich in die Kirche komme,
nicht weil die so fromm sind,
sondern weil die so geistig sind.
WAS DENN!
Diese blöden, dämlichen, tumben Bayern sind geistig?!?! -
Ja freilich.
Ja wieso denn?
Ja:
Schweige doch mal in Bayern.
Da wirste gleich heiter.
Wennde schweigst,
oder wennde n'paar Worte wirkli aa moanst,
joa, -
da ist Gemüt da.
Das gilt es -
nicht zu verinternationalisieren,
sondern erstmal:
zu verdeutschen,
in der Bundesrepublik,
wie so'ne Marmelade,
zu verstreichen auf das Brot
der Schleswig-Holsteiner,
der Hamburger,
der Oldenburger,
der Friesen,
der Rheinländer ---
die bayrische Gemütlichkeit ist ein -
na ich will mal sagen:
EINER DER LETZTEN WERTE
in Deutschland,
ja?,
die selbst ich als Wertveränderer
oder -abschaffer
(ich bin ja ein berufsmäßiger Wertabschaffer) -
diesen Wert erkenne ich als eine ganz große Kraft,
und darum kann ich den Sozialdemokraten nur sagen:
CHRISTLICH-SOZIALE UNION!
ist der Juniorpartner für die nächsten zwanzig Jahre.
Die CDU ist Plastik.

Da kommen wir nicht drum rum,
die Leute machen mit Gott nicht echt.
Die machen falsch mit Gott und darum gehnse ein.
An Kohl
-- ich mag diese ---
WENN geheuchelt wird,
dann muß wie Henri Nannen geheuchelt werden.
Dann muß mit Qualität geheuchelt werden.
Wenn boshaft gesprochen wird,
dann muß mit Qualität boshaft gesprochen werden,
weil:
wir sonst eine Atmosphäre im Land kriegen,
die UNERTRÄGLICH ist,
wie jetzt,
weil nicht mehr qualitätsvoll boshaft ---
nicht mal mehr Augstein hat eine Qualität
beim Boshaftsein.
Das liegt an dieser dummen FDP.

Kabarett ist doch eigentlich völlig überflüssig,
wir machen es doch ununterbrochen.
Das ist auch der Fortschritt
gegenüber von zwanzig Jahren,
oder in den zwanziger Jahren
fing ja das an,
ja?
Das ist der Fortschritt,
daß die Leute heute
-- wie soll ich sagen -,
einen selbstverständlichen Humor haben,
der garnicht mehr als solcher betrachtet wird.
Das ist ja die Selbstverständlichkeit daran.
Man redet schon schräg.

Alle Nachrichtensprecher,
alle Fernsehansager -
reden mit'm Schlenker,
das kommt von den Kabarettisten.
Wenn die sich das erlauben,
die Kabarettisten,
dann macht das auch Pfarrer Heinrich Alberz
im Wort zum Sonntag mal,
'n kleinen kabarettistischen Schlenker,
und so hat sich das kulturell
- wie'ne Seuche -
überall --
es gibt keinen mehr,
der nicht zumindest sagt:
Ja, aber 'n kritisches Wort
wird doch gestattet sein,
das ist doch der Erfolg
vom Kabarett in Deutschland.
'n kritisches Wort wird doch gestattet sein.

... Also du mußt heute als Kabarettist
MEHR drauf haben als alle Dramenschreiber,
die es in diesem Lande gibt,
die Shakespeare sowieso in der Tasche haben,
Ernst Jandl auf der Lippe,
also deine totale Sinnlosigkeit,
auch die Sprache melodiös machen,
Rock und Roll im Kopf mußte haben
als Kabarettist,
ja,
auch noch,
also den Rhythmus ---
und die Zeit trotzdem schön finden.
Und da auch noch
- beim Schönfinden -
'nen Witz bringen ...

So wie ich auch Kabarett bin
und keins mehr machen muß, --
also wenn man sich hier zum Beispiel
'n Kiosk-Inhaber in Berlin vornimmt,
aber genau wie in Frankfurt -
'n Kioskinhaber,
oder in München,
oder in Hamburg ---
ist doch ganz klar.
Daß solche Leute Unikümmer sind.

Also,
was heißt denn Unikum,
das ist ein ganz großes Geheimnis,
und in dieser Gesellschaft,
in der wir heute leben,
wo man teilweise von Ellbogen und sowas spricht,
ja,
da ist es doch gut,
wenn wir genug Unikümmer haben,
und die Unikümmer entdecken,
die laufen ja unentdeckt rum,
übrigens,
die machen sich auch nicht von alleine breit,
die Originale,
Unikümmer ...
und davon gibt's ja unglaublich viele.

Ja, diese Berber,
die das Trinken überstanden haben,
die nur noch trinken,
weil sie mal damit gestorben sind,
und immer noch rumloofen,
ja?
Also garnicht mit LSD oder mit 'ner Droge,
sondern mit Alkohol
haben die's einfach geschafft,
was andere Leute heute komplizieren
wie Andy Warhol
oder solche Leute,
mit anderen Drogen machen,
haben diese --
niedlichen, lieben Berberleute
in diesen Städten,
München, Hamburg, Frankfurt, Berlin, -
wissense,
mit dieser grauen Haut,
diese Leute,
aber auch -
mit einem ganz kleinen Leuchten im Gesicht.
Aber immer mit'm Lachen und -
man ekelt sich,
es sind auch die,
die morgens um acht draußen die Papierkörbe leer-gucken
auf den Straßen,
ja? -
gucken in JEDEN Papierkorb rein.
Manchmal denk' ich:
"Ist vielleicht doch'n Geheimnis
in den Papierkörben,
auf der Straße,
in den Großstädten."
Weil soviel Leute
in die Papierkörbe gucken.

[Bild: Sei immer lustig und vergnügt
Schlau sein - nicht blau sein
High sein - immer dabei sein!]